Bewachungsgewerbe: Warten auf die 2000 Euro Mindestlohn

Einige Gedanken zum KV-Abschluss im Bewachungsgewefrbe von Roland Steixner

Eines haben die KV-Verhandlungen gezeigt: Auf die sogenannte Sozialpartnerschaft sollten wir uns besser nicht verlassen, sondern die kollektivvertragliche Kirchturmpolitik überwinden und für einen gesetzlichen Mindestlohn streiten.

Der neue Kollektivvertrag für das Bewachungsgewerbe ist nun da. Auf der Habenseite kann zweifellos verbucht werden, dass es im Zuge des neuen Kollektivvertrags zu einem deutlichen Lohnplus kommt. Gerade die bisher am schlechtesten bezahlten Verwendungsgruppen können immerhin mit der zweithöchsten Lohnsteigerung rechnen. Zudem kann festgehalten werden, dass der Vertrag frei von aufhübschenden Einmalzahlungen sind, die für die künftigen KV-Verhandlungen nichts bringen. Und vor dem Hintergrund des KV-Abschlusses im Handel erscheint dieser KV-Abschluss sogar verhältnismäßig gut.

Die Lohntabelle sieht nun folgendermaßen aus:

Verwendungsgruppe A (Wachdienst): ……………………………….10,76 Euro (+ 9,3%)

Verwendungsgruppe B (Service): …………………………………….11,83 Euro (+ 8,0%)

Verwendungsgruppe B6 (Museumsaufsichtsdienst): …………..10,76 Euro (+ 8,7%)

Verwendungsgruppe C (Sonderdienst): …………………………….13,24 Euro (+ 8,0%)

Verwendungsgruppe D (Revierdienst): ……………………………..11,92 Euro (+ 9,0%)

Verwendungsgruppe E(Veranstaltungssicherheitsdienst):…….10,76 Euro (+ 9,3%)

Verwendungsgruppe F (Flughafensicherheitsdienst): ………….14,20 Euro (+20,0%)

Für den 24. und 31. gilt ab 2023 ein Zuschlag von 100% statt bisher 50%.

Die Nachtzulage steigt auf 0,43 Euro (+7,5%).

Für den Flughafensicherheitsdienst konnte schon im Vorfeld eine weitaus bessere Bezahlung herausgeholt werden, sodass die außergewöhnlich deutliche Steigerung gegenüber dem KV-Abschluss für 2022 hier lediglich eine Fixierung der schon bisher bezahlten höheren Löhne im neuen KV-Abschluss darstellt.

Vonseiten des Verhandlungsteams war jedoch mehr angestrebt worden. So galt es als strategisches Ziel, 2000 Euro brutto als Mindestlohn herauszuverhandeln. Dieses Ziel wurde für die Verwendungsgruppen A, B6 und E nicht erreicht. Der Bruttolohn ohne Zulagen in diesen Verwendungsgruppen (x173) liegt mit 1 861,48 Euro deutlich darunter. In absoluten Zahlen bedeutet das eine Lohnsteigerung von knapp 160 Euro pro Monat.

Tatsächlich sind die Voraussetzungen für die Organisation von Streiks im Bewachungsgewerbe schwierig. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad im Bewachungsgewerbe ist gering und das öffentliche Bewusstsein für die Arbeitsbedingungen des Wachpersonals ist weitaus geringer. Während streikendes Gesundheitspersonal mit einem relativ hohen Ausmaß an Solidarität rechnen können, ist das in Hinblick auf das Bewachungspersonal weitaus schwierige

Das alles erschwert es, bei Lohnverhandlungen den Druck aufzubauen, der nötig ist, um die Interessen der Beschäftigten angemessen durchzusetzen.

Gleichzeitig ist jedoch auch festzuhalten, dass auch dieser Lohnabschluss nicht in der Lage sein wird, die tatsächliche Teuerung auszugleichen. Denn wir sehen für die Monate September (10,6%) und Oktober (11%) eine Inflation, die deutlich über dem verhandelten KV-Abschluss liegt. Auch für 2023 rechnet das WIFO mit einer weiterhin außergewöhnlich hohen Inflation (6,5%). Die Preisanstiege gehen weiter und fressen das Lohnplus weg, es überhaupt schlagend wird. Wir können froh sein, wenn unsere Löhne mit Jänner 2023 in Hinblick auf die Kaufkraft nicht allzuweit unter dem Stand von 2022 liegen. Und es ist nicht gesagt, dass die Inflationsabgeltung im Nachhinein durch eine fallende Inflation auch tatsächlich hereingeholt wird.

Eine weitere Vereinbarung im neuen KV ist allerdings zu erwähnen: Für 2024 für alle Verwendungsgruppen ein Mindestlohn von 2000 Euro zugesagt. Das würde für die Verwendungsgruppen A, B6 und E immerhin ein Lohnplus von 7,4% bedeuten. Da bleibt zu hoffen, dass bis dorthin die Inflation bis dorthin deutlich nachgelassen hat und sich die Arbeitgeberseite an die in den letzten KV-Verhandlungen gemachten Zusagen auch tatsächlich hält. Gleichzeitig ist aber auch klar: Die 2000 Euro im Jahr 2024 sind nicht dasselbe wert wie 2023.

Und vor dem Hintergrund der vollmundigen Ankündigung, dass man am Mindestlohn von 2 000 Euro festhalten werde, ist das Ergebnis der KV-Verhandlung nicht gerade berauschend. Zudem ist festzuhalten, dass die Arbeitgeberseite schon 2021 kürzere Kündigungsfristen durchdrücken konnte. Der Gegenwert, den die Beschäftigten dafür erhielten, ist überschaubar.

Ja, es ist verständlich, dass die Ergebnisse bei den KV-Verhandlungen vor dem Hintergrund der aktuellen Kräfteverhältnisse zu sehen sind. Und die sind aktuell so wie sie sind. Und ja, meine Kolleg:innen sehen es großteils so, dass der aktuelle KV-Abschluss „besser als nichts“ ist. Trotzdem geht es mir so, dass ich des Theaterdonners vor den KV-Verhandlungen und der anschließenden Lobhudelei des KV-Ergebnisses überdrüssig bin. Manchmal wäre mir im Nachhinein etwas mehr Reflexion in Hinblick auf das, was es zu erreichen gilt. Und hoffentlich ist gerade der aktuelle KV-Abschluss ein Auftakt für alle Beteiligten und Betroffenen dafür, sich besser zu vernetzen und zu überlegen, wie künftig mehr herauszuholen ist, und zu schauen, wie es möglich ist, künftig branchenübergreifender und konzertierter mehr Druck für höhere Löhne zu machen.

Roland Steixner ist stv. BRV bei Group4

Quelle: GLB – Gewerkschaftlicher Linksblock