6. November 2024

FIR erinnert an die Wolynien-Massaker vor 80 Jahren

Immer wieder erhebt die FIR ihre Stimme gegen die Rehabilitierung von NS-Kollaborateuren und Geschichtsrevision. In verschiedenen Regionen Europas haben Kollaborateure nicht nur wie im Petain-Frankreich oder als Quislinge im Interesse der deutschen Okkupation mitgewirkt, sondern in der Hoffnung auf die Befriedigung eigener nationalistischer Ziele Verbrechen in den okkupierten Gebieten begangen. Bekannt sind insbesondere die Massaker an der jüdischen Bevölkerung in den baltischen Republiken. Auch das Zusammentreiben der ungarischen Juden 1944 war nur mit Hilfe der Horthy-Einheiten und der Pfeilkreuzler möglich.
Ein besonders schlimmes Verbrechen, das im Interesse der Kollaborateure begangen wurden, war das Wolynien-Massaker vor 80 Jahren, im Juli 1943 gegen die polnische Bevölkerungsgruppe. Verantwortlich dafür war die „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN) von Stepan Bandera bzw. die im Herbst 1942 gegründete „ukrainische Aufstandsarmee“ (UPA).

Die OUN war schon im Sommer 1941 beim Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion in der Region von Lwiw mit einem Massaker hervorgetreten, bei dem etwa 8.000 Juden ermordet wurden. Als Handlanger für die Vernichtungspolitik war die OUN für die nazideutsche Besatzungspolitik willkommen, deren Vorstellungen einer selbstständigen Ukraine entsprach jedoch nicht dem „Generalplan Ost“, weshalb Bandera selber von September 1941 bis Mitte 1944 im KZ Sachsenhausen als „prominenter Häftling“ interniert war. Das hinderte die ukrainischen Nationalisten nicht daran, sich im Sinne der NS-Politik und einer erhofften ukrainischen Unabhängigkeit an Verbrechen gegen Partisanen und jüdische Bevölkerungsteile zu beteiligen.

Auf der „Feindesliste“ der OUN stand noch eine weitere Gruppe, die polnische Bevölkerung in den von ukrainischen Nationalisten beanspruchten Gebieten. Die Polen galten als „unukrainische Elemente“, eine Formulierung, die sich aus dem nazistischen Sprachgebrauch ableitete. Schon im Februar 1943 kam es in der Ortschaft Parosla Pierwsza im Kreis Rowno (Rivne) zu einem ersten kollektiven Massaker. Eine Abteilung der im Herbst 1942 gegründeten »Ukrainischen Aufstandsarmee« (UPA) umzingelte den Ort und ermordete sämtliche 173 Einwohner.

Auf dieser III. Konferenz der Führung der OUN-B vom 17. bis 23. Februar 1943 wurde der Beschluss gefasst, das zu erwartende Machtvakuum nach einem möglichen Abzug der deutschen Besatzer zu nutzen, um eine unabhängige Ukraine auszurufen. Zuvor sollte die polnische Minderheit vertrieben bzw. ermordet werden. Im Juni gab der regionale Chef der OUN in der Provinz Wolynien, Dmitro Kljatschkiwskij, den expliziten Befehl zum Losschlagen: „Wir sollten eine große Liquidierungsaktion gegen das polnische Element durchführen. Nach dem Abzug der deutschen Truppen ist der günstige Moment auszunutzen, um die gesamte männliche polnische Bevölkerung zwischen 16 und 60 Jahren zu liquidieren. (…) Wir dürfen diesen Kampf nicht verlieren und müssen um jeden Preis die Kräfte Polens schwächen.“ Der Höhepunkt war der „Blutsonntag“ am 11. Juli 1943, als in einer koordinierten Aktion gleichzeitig 99 polnische Siedlungen angegriffen und nach Tötung der Bewohner zerstört wurden. Insgesamt wurden allein im Juli 1943 17.000 polnische Bewohner von 530 Dörfern und Ansiedlungen ermordet. Zu einer letzten Welle von antipolnischen Angriffen kam es in Wolynien um die Weihnachtstage 1943, danach verlegte die UPA ihre Anschläge auf die südlich angrenzenden Gebiete des Karpatenvorlands, wo sie bis zur Befreiung der Region durch die sowjetische Armee im Sommer 1944 wütete. Insgesamt fielen diesen „ethnischen Säuberungen“ mindestens 50.000 Polinnen und Polen zum Opfer.

Tatsächlich hatten ukrainische Nationalisten diese ethnische Vernichtungspolitik schon vor dem Überfall auf die Sowjetunion propagiert. Der nazistische Vernichtungskrieg ermöglichte es ihnen, ihre eigenen Interessen im Gefolge umzusetzen. Der ukrainische Faschismus war also nicht nur ein Tochtergeschwür des deutschen, sondern er hatte seine eigenen, nationalen Wurzeln.

Die Erinnerung an dieses Massenverbrechen ist in Zeiten des Ukraine-Krieges faktisch unmöglich. Wer daran erinnert, ob in der Ukraine selber, als Historiker oder auch in Polen gilt in vielen Medien als „Putin-Freund“, als „Unterstützer russischer Desinformation“. So verlor Ende Mai 2023 selbst der Sprecher des polnischen Außenministeriums seinen Posten, als er anlässlich des Jahrestages öffentlich vom ukrainischen Staatschef Selenskij eine Entschuldigung für die Massaker von Wolynien verlangte. Gleichzeitig werden die OUN und die UPA in der offiziellen Politik als „Kämpfer für die Unabhängigkeit der Ukraine“ mit Denkmälern und Feiertagen gewürdigt.

Die FIR widerspricht mit der Erinnerung an solche Massenverbrechen solchen Formen von NS-Verherrlichung und Geschichtsrevisionismus und steht auf der Seite derjenigen, die nicht allein in Polen und der Ukraine eine ehrliche Aufarbeitung und den Opfern angemessene Würdigung anstreben.

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