Übermüdet im Cockpit

ZLV Zeitung vum Letzeburger Vollek
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Wer sich in ein Flugzeug begibt, vertraut sein Leben dem Geschick und der Erfahrung der Piloten und Flugingenieure an – kurz: Er hofft darauf, daß in 10.000 bis 15.000 Metern Höhe keine größeren Fehler passieren. Übermüdet ist das nicht selbstverständlich. Deshalb beunruhigt eine von der ECA, der European Cockpit Association, vorgelegte Umfrage unter Piloten, nach der 73 Prozent der Befragten angegeben haben, sie könnten sich zwischen ihren Flugdiensten nicht ausreichend von Müdigkeit erholen.

Drei von vier befragten Piloten hätten in einem Zeitraum von vier Wochen mindestens einen Sekundenschlaf während des Betriebs eines Flugzeugs erlebt – und ein Viertel habe sogar von fünf oder mehr Sekundenschlafsituationen innerhalb von vier Wochen berichtet, erklärte der europäische Pilotendachverband, der angesichts dieser Umfrageergebnisse vor Sicherheitsrisiken durch übermüdete Pilotinnen und Piloten warnt.

Für den Bericht »A fatigue survey of European Pilots« analysierte Baines Simmons, ein britisches Beratungsunternehmen für Flugsicherheitsmanagement, die Antworten von fast 6.900 europäischen Piloten und Pilotinnen aus 31 Ländern. Darin heißt es weiter, die Flugzeugführer litten auch häufig unter ausgedehnten Flugzeiten, weil diese über die gesetzlichen Vorgaben hinaus über den sogenannten Kommandantenentscheid verlängert werden können, wenn beispielsweise Umwege geflogen werden müssen.

Nahezu jeder fünfte Befragte gab an, in den vorangegangenen vier Wochen einen derartigen Entscheid getroffen zu haben. Mehr als 60 Prozent befürchteten Ärger mit ihrer Airline, wenn sie eine derartige Entscheidung verweigern und beispielsweise eine außerplanmäßige Zwischenlandung zum Crewtausch anordnen würden.

Besonders häufig klagten Piloten aus Britannien, Malta, Spanien und Irland über ein unzureichendes Müdigkeitsmanagement (Fatigue Risk Management, FRM) bei ihren Airlines, berichtete die ECA. Vergleichsweise gut wurde die Situation von Piloten aus der Schweiz, den Niederlanden und Österreich beurteilt.

Der Bericht erscheint nur zwei Monate nachdem die EASA, die Flugsicherheitsbehörde der EU, vor dem Risiko einer erhöhten Müdigkeit des Flugpersonals während des Sommers gewarnt und die Fluggesellschaften aufgefordert hatte, ausreichende Puffer einzuplanen und sich nicht darauf zu verlassen, daß Pilotinnen und Piloten ihre maximale Flugdienstzeit systematisch verlängern. Die Ergebnisse des Baines-Simmons-Berichts weisen jedoch auf eine andere Realität hin.

Hinzu kommt, daß sich die Umfrageergebnisse auf einen Zeitraum vor und zu Beginn der Hochphase des Sommerbetriebs beziehen (die Befragung lief vom 1. bis 22. Juli 2023, bei mehreren Fragen wurde aber um einen vierwöchigen »Rückblick« gebeten), so daß davon auszugehen ist, daß die Ergebnisse im August oder September kaum besser, sondern eher noch negativer ausfallen würden.

Auch József Váradi, der Chef der seit diesem Sommer auf dem Findel vertretenen ungarischen Billigfluggesellschaft Wizz Air, soll seine Piloten schon mehrfach aufgefordert haben, »über die zulässigen Ermüdungsgrenzen hinaus zu arbeiten«, hatten OGBL, LCGB und die Vereinigung der Linienpiloten ALPL im Juli in einem gemeinsamen Pressekommuniqué kritisiert.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek