50 Jahre Widerstand gegen die griechische Militärjunta
Der 17. November ist in Griechenland ein Tag, der den Studenten gewidmet ist. Schulen und Universitäten bleiben geschlossen. Im Hof der „Nationalen Technischen Universität“ von Athen finden Gedenkveranstaltungen statt. Dieses Datum ist der Erinnerungstag des Aufstandes der Studenten der Nationalen Technischen Universität von Athen (kurz: Polytechnio) gegen die Militärdiktatur, die sieben Jahre lang, von 1967 bis 1974, in Griechenland herrschte.
Während Papadopoulos sich 1973 auf dem Höhepunkt seiner Macht wähnte, die faschistische Geheimpolizei ESA ebenfalls keine Gegner ausmachen konnte, organisierten sich im Geheimen die Oppositionskräfte. Studenten protestierten gegen die Zwangseinberufung zum Militär. Schon im Frühjahr 1973 gab es Institutsbesetzungen und andere Proteste. Die Herrschenden reagierten mit Verboten und Repressalien. Die bürgerlichen Kräfte hofften in dieser Situation auf den abgesetzten Regierungschef Karamanlis und eine Rückkehr des Königs, um die Junta abzulösen. Das war aber mit der linken Opposition nicht zu machen. Die Junta versuchte am 29. Juli 1973 mit einem Referendum Papadopoulos zu bestätigen. Trotz Repressalien und Wahlpflicht blieben rd. 25 Prozent der Wähler den Urnen fern. Zwar stimmten 77 % für JA und 22 % für NEIN. Doch dieses Ergebnis zeigte die Krise der Junta. Am 1. Oktober 1973 setzte Papadopoulos als Präsident alle bisherigen Minister ab, darunter auch die sechs Mitglieder der ursprünglichen Junta.
Anlässlich einer Gedenkveranstaltung für Georgios Papandreou kam es Anfang November in Athen zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei mit zahlreichen Verletzten. Dieser Übergriff der Polizei brachte die Wut zur Explosion. Am 14. November besetzte viele Studenten das Polytechnikum im Athener Zentrum trotz massiver Polizeipräsenz. Am kommenden Tag wurde der Verkehr durch Busfahrer blockiert, die ihre Fahrzeuge vor dem Gebäude verließen und Parolen auf die Fahrzeuge klebten. Viele Schüler schlossen sich der Besetzung des Polytechnikums an, nachdem sie die Polizeiabsperrung durchbrachen.
Bereits in der Nacht verbarrikadierten die Besetzer Türen und das Hoftor, installierten einen Kurzwellensender und diskutierten ihr weiteres Vorgehen. Gegen Mitternacht übernahm ein gewähltes Komitee, dem auch Vertreter der politischen Opposition angehörten, die Führung. Athener Sympathisanten brachten Lebensmittel. Gegen 2 Uhr in der Frühe des 15. November wurde die erste Sendung von Radio Polytechnio ausgestrahlt.
Die Radiostation informierte, Flugblätter wurden gedruckt. Es gab sogar eine improvisierte Zeitung. Lautsprecher beschallten die umliegenden Straßen mit Slogans. Am Nachmittag befanden sich etwa 6.000 Menschen am Polytechnikum, Studenten, Schüler und Arbeiter. Gegen 20 Uhr stieg die Zahl auf etwa 15.000. Dem Leitungskomitee wurden zwei Arbeiter und ein Schüler assoziiert. Der erste Versuch der Polizei, die Besetzung am 15. November 1973 zu beenden, scheiterte am Massenwiderstand auf der Straße.
Am folgenden Tag kam es beim Syntagma-Platz zu Demonstrationen und Zusammenstößen mit der Polizei. Nun waren es Studenten anderen Athener Hochschulen, Schüler und Arbeiter.
Seit dem Abend des 16. bereitete die Athener Polizei mit der Armeeführung die Niederschlagung des Aufstandes vor. Spezialeinheiten und Fallschirmjäger wurden mobilisiert. Um 22.30 Uhr fuhren 10 Panzern und 3 gepanzerten Mannschaftstransportwagen in Richtung Zentrum. Um 2 Uhr morgens am 17. November war der Aufmarsch abgeschlossen. Den Studenten wurde ein Ultimatum gesetzt, aber gleichzeitig mit der Stürmung begonnen. Für zwei Tage erlebte die Stadt Athen ein blutiges Militärregime. Dazu verhängte die Junta das Kriegsrecht.
Trotz Unterstützung für die Junta durch NATO und USA rege sich auch im Ausland Widerspruch. Wenige Tage später stürzte Georgios Papadopoulos und sein Nachfolger wurde Dimitrios Ioannidis, Chef der ESA. Trotz verschärfter innenpolitischer Repression konnte er den endgültigen Sturz der Junta im Juli 1974 nicht aufhalten.
Die Besetzung des Polytechnikum gilt als „Aufstand der Studenten“, doch zeigt die Liste der Verhafteten, dass nur 49 Studenten vom Polytechnikum stammten. 268 Studenten gehörten anderen Athener Universitäten an. 74 waren Schüler und 475 Arbeiter. Über die Zahl der Opfer gibt es bis heute keine verlässlichen Angaben. In Prozessen wurde von 700 bis 1.000 Verhafteten, knapp 200 Verletzten und 23 Toten gesprochen.
Der Aufstand ist unvergessen. In vielen Städten in Griechenland sind Straßen nach den „Helden des Polytechnio“ benannt. Am 17. November findet in Athen eine Gedenkdemonstration statt. Als 2020 die von der KKE organisierte Gedenkversammlung verboten werden sollte, fand sie – trotz Corona-Einschränkungen – unter großer Beteiligung statt. Die Vizebürgermeisterin von Athen, Alexia Evert, die gegen die Gedenkaktion auf Facebook gepöbelt hatte, musste zurücktreten.
Die FIR erinnert anlässlich des 50. Jahrestages an diesen mutigen Protest der griechischen Studierenden, die ohne Zweifel einen wichtigen Beitrag zum Sturz der Militärjunta geleistet haben.