Unter falscher Flagge – Tibet

ZLV Zeitung vum Letzeburger Vollek
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Bedroht China die Sicherheit und Freiheit Europas? Ist sein »Regime« besonders gefährlich und verwerflich, weil es die Menschenrechte verletzt und seine Minderheiten unterdrückt und misshandelt, wenn nicht gar »ausrottet«?

Ein vor kurzem in Frankreich erschienenes Buch des Luxemburgers Albert Ettinger (»La Chine – un ennemi fabriqué par la propagande?«) befasst sich kritisch mit den Themen, die in der westlichen China-Berichterstattung über Jahrzehnte hinweg immer wieder im Vordergrund standen.

Damals, unter dem Dalai-Lama…

Im Westen machten jahrzehntelang sogenannte »Tibetfreunde« die Menschen glauben, vor der »kommunistischen Invasion« hätten die meisten Tibeter ein bescheidenes, aber glückliches Leben geführt. Ausländische Besucher von damals berichten jedoch, dass die große Mehrheit der Tibeter brutal ausgebeutet und unterdrückt wurde.

Sie beschreiben ein Land, in dem Analphabetismus und Unwissenheit, eine allgegenwärtige Korruption, eine erschreckend hohe Kindersterblichkeit, ein unvorstellbarer Mangel an Hygiene, eine extrem niedrige Lebenserwartung, verbreitete Geschlechtskrankheiten und periodisch auftretende Pockenepidemien herrschten.

Bei seinen Aussagen über die gesellschaftlichen Verhältnisse im alten Tibet beruft sich Ettinger keineswegs auf chinesische oder »chinafreundliche« Quellen. Vielmehr zitiert er den französischen Tibet-Historiker Deshayes, einen Dalai-Lama-Anhänger, der bestätigt, dass in Tibet »bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts« ein Feudalsystem fortbestand, das »auf der Leibeigenschaft, dem Staatsdienst der Adligen und der Fronarbeit beruhte.« Und er erteilt Heinrich Harrer, dem persönlichen Freund des Dalai-Lama das Wort. In »Sieben Jahre in Tibet« berichtet dieser, er sei durch Landgüter »von gewaltigen Ausmaßen« geritten, auf denen »Tausende Leibeigene« schufteten. Auf diesen Latifundien war »der Gutsherr der absolute Herr über seine Untertanen, in Bezug auf ihre Rechte und sogar ihr Leben«, zitiert Ettinger den japanischen Tibetforscher Ekai Kawaguchi, einen Zen-Mönch. Nicht wenige dieser Güter gehörten lamaistischen Klöstern.

Das Massenelend und die krasse soziale Ungleichheit förderten Eigentumsdelikte, die von einer grausamen Willkürjustiz geahndet wurden. Folter und grauenhafte Körperstrafen waren dabei die Regel. Auf Diebstahl stand das Abhacken von Armen oder Händen. Weit verbreitet waren auch die öffentliche Auspeitschung, das Abschneiden der Ohren oder der Nase und das Ausquetschen der Augen.

In dieser Gesellschaft waren faire Gerichtsverfahren ebenso unvorstellbar wie die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz. Aristokraten oder Äbte verfügten über die richterliche Gewalt, und das Gesetz teilte die Tibeter in neun Kategorien ein. Die Strafen richteten sich nach dem gesellschaftlichen Stand von Opfer und Täter.

Als Wissenschaft getarnte Propaganda

Albert Ettinger geht mit der Mehrheit der Tibet-Wissenschaftler an europäischen Universitäten hart ins Gericht: Auch sie seien keineswegs bestrebt, die Wahrheit über das alte Tibet objektiv und ohne politische Voreingenommenheit zu ermitteln. Er zitiert eine französische Forscherin, die selbst einräumt, dass das Wesen des tibetischen Ancien Régimes im Mittelpunkt einer »hitzigen politischen Debatte steht, bei der es um nichts Geringeres geht als die Legitimität« der Kontrolle Beijings über Tibet. Für viele dieser »Wissenschaftler« sind die Imperative der antichinesischen Propaganda daher wichtiger als die wissenschaftlich saubere Darstellung der unbequemen historischen Wahrheit.

Diese »Tibetologen« bestreiten z.B. die feudale Natur der damaligen Produktionsverhältnisse, beschönigen das Elend der hörigen Bauern, der Landarbeiter und der »Unberührbaren« oder verbreiten die vom 14. Dalai-Lama selbst erfundene Mär, die chinesischen Kommunisten hätten ihn in den 1950er Jahren daran gehindert, Tibet zu reformieren. Niemand soll auf die Idee kommen, es sei diesen Kommunisten zu verdanken, dass die Tibeter schließlich von Frondienst, Leibeigenschaft und Sklaverei befreit wurden.

Unabhängigkeit oder chinesische Souveränität?

Auch in der Frage der historischen Zugehörigkeit Tibets zu China beruft sich der Autor keineswegs auf chinesische Quellen. Mit dem Tibet-Historiker Deshayes weist er darauf hin, dass der chinesische Kaiser bereits im 13. Jahrhundert von Peking aus »das Mosaik religiöser oder weltlicher Fürstentümer« im Westen des Reiches vereinigte und »einer zentralen Macht« unterstellte: »Ab 1288 wurde ein politischer Rat (xuanzheng)« eingesetzt, der »die religiösen und weltlichen Angelegenheiten Tibets verwalten« sollte.

Die oft wiederholte Behauptung des 14. Dalai-Lama und seiner westlichen Anhänger, Tibet sei »nie ein Teil Chinas« gewesen, kann also wohl so nicht stimmen. Zumal sogar als besonders chinafeindlich bekannte »Tibetologen« (in einem provokativ »Le Tibet est-il chinois?« betitelten Buch) zugeben mussten: »1721 war das Schicksal Tibets für lange Zeit besiegelt«, da die Region von nun an »als integraler Bestandteil Chinas definiert wurde«.

Allerdings entglitt einem schwachen, von imperialistischen Eroberungsfeldzügen und Bürgerkrieg heimgesuchten China zeitweilig die Kontrolle über Teile seines Staatsgebiets. Daher wird oft behauptet, Tibet sei zwischen 1913 und 1950 de facto ein »unabhängiger Staat« gewesen. Aber abgesehen davon, dass diese »Unabhängigkeit« niemals von irgendeinem Staat oder einer einzigen internationalen Organisation anerkannt wurde und somit völkerrechtlich keinerlei Bedeutung hat: Tibet war auch damals, so Albert Ettinger, keineswegs »unabhängig«, sondern eine Halbkolonie der Briten.

Nachdem diese 1903/1904 dort militärisch einmarschiert waren und Lhasa erobert hatten, gehörte die Region nämlich »zur Einflusssphäre Großbritanniens«, wie es in einem Fachaufsatz heißt, den der Autor zitiert. Auch die bekannte französische Asienkennerin Alexandra David-Neel stellte 1912 fest, England sei dabei, »Tibet ganz langsam in Beschlag zu nehmen«. 1920 entlarvte sie im »Mercure de France« die wahren Absichten der britischen Kolonialisten, indem sie unterstrich, die von ihnen geforderte »Unabhängigkeit Tibets« sei nichts als »ein diplomatischer Euphemismus«, der darüber hinwegtäuschen solle, dass Tibet »zu einer Verlängerung Indiens unter englischer Kontrolle wird.«

Albert Ettinger zeigt, dass sogar die USA die Zugehörigkeit Tibets zu China anerkannten, bevor die chinesischen Kommunisten in Beijing an die Macht kamen. Die Unterstützung tibetischer Unabhängigkeitsbestrebungen hatte daher seitens der westlichen Vormacht nie etwas mit völkerrechtlichen Erwägungen oder mit den Interessen der Tibeter zu tun, sondern diente ihrem eigenen Kreuzzug gegen den Kommunismus.

Die blutige Hand der CIA

In den westlichen Medien werden die Rebellen aus der Kham-Region (dem Osten des tibetischen Siedlungsraums), die sich 1956 gegen die chinesische Volksbefreiungsarmee erhoben, gerne als edle Freiheitskämpfer dargestellt. Dieses Bild wird nun zurechtgerückt. Der Anführer des angeblichen »Volksaufstands«, Gompo Tashi Andrugstang, entstammte nicht dem einfachen Volk, sondern einer der reichsten Familien der Region. Baba Gen Yeshi, der den Terroristenstützpunkt Mustang in Nepal befehligte, »terrorisierte die Einwohner und beraubte die Bauern«. Wangdu Gyatotsang, sein Nachfolger als Kommandant, war »von Kindheit an cholerisch« und hatte bereits im Streit einen Mann getötet, bevor er sich von der CIA anwerben ließ.

Ettinger erinnern diese Khampas, die in Tibet mordeten und brandschatzten, nicht an die sowjetischen, jugoslawischen oder französischen Partisanen des II. Weltkriegs, sondern an die von der CIA gegen fortschrittliche Regierungen in Lateinamerika eingesetzten Contras. Denn die CIA spielte bei ihrem bewaffneten Aufstand von Anfang an eine entscheidende Rolle.

Bereits im Mai 1951 fragte der tibetische Aristokrat Shakabpa den Ersten Sekretär der USA-Botschaft in Delhi, Wilkins, ob die USA bereit seien, eine Rebellion gegen die Kommunisten militärisch und finanziell zu unterstützen. Das daraufhin nach Washington geschickte Botschaftstelegramm unterstrich: »Man bräuchte Geld, um solche Gruppen zu ermutigen.« Am 12. November 1952 wandte sich Gyalo Thondup, einer der Brüder des Dalai Lama, direkt an den USA-Außenminister mit dem Vorschlag, Tibeter anzuwerben, sie auszubilden und nach China zurückzuschicken, wo sie andere Tibeter zum Aufstand »ermutigen« sollten. 1957 setzten die USA die ersten tibetischen Terroristen, die sie auf der Insel Saipan ausgebildet hatten, an Fallschirmen über Tibet ab.

In den darauffolgenden Jahren wurden Hunderte Tibeter militärisch und spionagetechnisch in Camp Hale, Colorado, ausgebildet und anschließend nach Tibet geschleust. Diese CIA-Operation wurde von Roger McCarthy geleitet.

Nach dem Scheitern des versuchten Aufstands in Tibet errichtete und finanzierte die CIA eine Basis in Nepal nahe der chinesischen Grenze. Von dort wurden bis in die 1970er Jahre Terrorangriffe in China durchgeführt.

Wie im Buch gezeigt, spielte die CIA ebenso eine entscheidende Rolle 1959 bei der Flucht des Dalai Lama und seiner Aufnahme in Indien sowie bei der Errichtung einer »tibetischen Zentralverwaltung« im Exil.

Der »Völkermord an den Tibetern« und andere Lügen

Jahrzehntelang verbreiteten die westlichen Medien die Lüge, die Chinesen hätten einen Völkermord an den Tibetern begangen, indem sie mehr als 1,2 Millionen Tibeter getötet hätten. Ettinger zeigt, wie absurd dieser Vorwurf und die dabei genannten Zahlen sind. Sogar der führende britische Tibet-Aktivist Patrick French, der als einziger Ausländer Einsicht in die Unterlagen der tibetischen »Exilregierung« erhielt, auf denen diese »Opferzahlen« gründen, war entsetzt über die offensichtlichen Fälschungen, Übertreibungen und Erfindungen, die er darin fand.

Auch die Behauptung, die Chinesen würden Tibet durch den Zustrom einer großen Zahl chinesischer Siedler kolonisieren, ist nach Albert Ettinger eine dreiste Lüge. Vielmehr bleiben die Han-Chinesen im eigentlichen Tibet eine kleine Minderheit. In den angrenzenden östlichen Randgebieten, die der Dalai-Lama und seine Unterstützer dem »tibetischen Kulturraum« oder dem »historischen Tibet« zurechnen, lebten Tibeter seit Jahrhunderten Seite an Seite mit mehreren anderen Ethnien. Diese Regionen, die zuletzt im 8. Jahrhundert zum tibetischen Großreich der Tubo gehörten, wurden nie von Lhasa aus regiert. Dennoch werden sie vom Dalai-Lama und seinen Anhängern als Teil ihres »Groß-Tibet« beansprucht und ihre nicht-tibetischen Einwohner pauschal als »chinesische Siedler« verunglimpft.

»Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?«

Aber zerstörten die Chinesen nicht Tausende von Klöstern, um so den tibetischen Buddhismus auszurotten? Auch diese klischeehafte Vorstellung wäre stark zu nuancieren, denn die meisten Klöster verschwanden, sobald der Feudalismus abgeschafft wurde, da es keine Leibeigenen mehr gab, die für ihren Unterhalt und den der Mönche sorgten.

Andere wurden während der »Kulturrevolution« zerstört, aber nicht von »den Chinesen«, sondern von jungen Tibetern, die sich den »Roten Garden« angeschlossen hatten in ihrem Kampf gegen alles »Alte«, »Bürgerliche« oder »Revisionistische«. Die »Kulturrevolution« richtete sich keineswegs speziell gegen die tibetische Religion oder tibetische Traditionen. Sie endete im Übrigen vor 50 Jahren und hat längst einer viel pragmatischeren Politik Platz gemacht.

Die Exzesse der »Kulturrevolution« wurden von der Kommunistischen Partei Chinas verurteilt. Heutzutage herrscht in Tibet, wie überall in China, Religionsfreiheit. Niemand verbietet den Gläubigen, zu beten oder eine Pilgerreise zu unternehmen. Viele Tempel und Klöster wurden restauriert auf Kosten des Staates, der sogar die lamaistischen Mönche subventioniert.

Ähnliches gilt für die tibetische Sprache und Kultur, wie der Autor zeigt. Die tibetische Sprache wurde nicht nur nicht zerstört, sondern sie wurde weiterentwickelt, standardisiert und verbreitet, auch und gerade als Schriftsprache. Ettinger erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass der älteste Bruder des Dalai-Lama in einem im Westen veröffentlichten Buch allen Ernstes behauptete: »Lesen und Schreiben sind eigentlich nutzlos, da es in Tibet keine weltliche Literatur gibt.« Daher mache eine weltliche Bildung in Tibet keinen Sinn!

Aussagen westlicher »Tibetologen«, die der Autor anführt, bestätigen: Die tibetische Standardsprache wird in der Volksrepublik von so vielen Tibetern gelernt, gesprochen, geschrieben und gelesen wie nie zuvor. Auch die tibetische Kultur erlebt eine nie gekannte Blüte, gerade auch in Bereichen wie der »weltlichen« Literatur und dem Film, Bereiche, die es in der alten Gesellschaft gar nicht gab.

»Gewaltloser Widerstand« und »echte Autonomie«?

Das Buch räumt mit vielen anderen Vorurteilen und Fehlinformationen auf, etwa mit der Auffassung, der von der »Exilregierung« angezettelte »Widerstand« der Tibeter sei im Wesentlichen friedlich und gewaltfrei, oder mit der Behauptung, der Dalai-Lama wolle gar keine Abspaltung von China, sondern bloß eine »echte Autonomie«. Seit mehr als 30 Jahren versucht »Seine Heiligkeit«, die eigenen Absichten zu vernebeln und bei der westlichen Öffentlichkeit zu punkten, statt sich um konstruktive Gespräche mit China zu bemühen.

Vor allem macht der Autor deutlich, dass die westliche »Free Tibet«-Bewegung keineswegs dazu beigetragen hat, das Leben der Tibeter in irgendeiner Weise zu verbessern. Im Gegenteil. Innerhalb Chinas hat sie den Tibetern eher geschadet, weil sich die Behörden immer wieder gezwungen sahen, auf vom Ausland angezettelte Unruhen, die oft an regelrechte Pogrome erinnerten, mit strengeren sicherheitspolitischen Maßnahmen zu reagieren. Die Tibeter im indischen Exil hatten davon so wenig Nutzen, dass viele inzwischen erwägen, nach Tibet zurückzukehren, um ihrer Existenz als rechtlose Flüchtlinge zu entkommen.

Materiell profitiert von der »Tibet-Solidarität« haben vor allem einige professionelle »Tibet-Aktivisten« im Westen. Darauf wies schon vor zwanzig Jahren die »Washington Times« hin, als sie berichtete, Matteo Mecacci habe als Vorsitzender der NGO International Campaign for Tibet 150.000 US-Dollar im Jahr verdient, plus weitere 16.800 US-Dollar »für einen Job, der im Dezember 2013 weniger als einen Monat dauerte«.

Im Interesse Tibets

Es liegt im Interesse Tibets, eine autonome Region innerhalb der Volksrepublik China zu bleiben. Seriöse westliche Quellen bestätigen, dass Tibet »von der Zentralregierung großzügige Subventionen erhält, die höher sind als die jeder anderen Provinz oder autonomen Region«. Dank der »Unterstützung des chinesischen Staates« kann die Region einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnen, der sich »in einem zweistelligen Wachstum« niederschlägt. Ohne diese Subventionen der chinesischen Regierung würde »die tibetische Wirtschaft auf ein extrem niedriges Niveau zurückfallen«.

Die Hilfen der Zentralregierung und der reicheren Provinzen Chinas betreffen im Übrigen nicht nur die Wirtschaft. So finanziert Beijing das Bildungssystem in der Autonomen Region mit einem Satz, der doppelt so hoch ist wie der nationale Durchschnitt, bei gleichem Schüler-Lehrer-Verhältnis.

Im Westen wird immer wieder behauptet, der wirtschaftliche Aufschwung und der Aufbau einer beeindruckenden modernen Infrastruktur – Eisenbahnverbindungen, moderne Straßen und Autobahnen, Flughäfen, Krankenhäuser, Schulen, Universität… – dienten nur den »chinesischen Siedlern«. Das sind lächerliche Unterstellungen, so der Autor. Als ob nicht gerade die Tibeter, die große Mehrheit in der Autonomen Region Tibet, in erster Linie von diesen Verbesserungen profitieren würden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek