Wie buchstabiert man Wahlbetrug?
Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:
Es ist in den »regelbasierten«, an ominösen »Werten« orientierten »Demokratien« schon fast eine Grundregel, daß Versprechen, mit denen Wähler zur Stimmabgabe für eine bestimmte Partei überredet werden, unmittelbar nach der Wahl gebrochen werden. Die Erfahrung zeigt leider, daß sich allzu viele Bürger bereits in Zeiten von Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildungen nicht mehr daran erinnern, mit welchen Versprechen sie zuvor geködert wurden. Das beginnt zumeist damit, daß unterschiedliche Parteien sich vor der Wahl scheinbar bis auf Messer bekämpft haben, dann aber bei Feilschen um Ministerposten jede Menge »Gemeinsamkeiten« entdecken.
Vor den Wahlen werden allerlei Wohltaten feilgeboten, die den Menschen angeblich zugute kommen sollen, an die man sich nach der Wahl jedoch nicht so recht erinnern will. Zuweilen finden sie noch Eingang in irgendwelche Regierungsprogramme, um dann vor der nächsten Wahl etliche Gründe aufzuzählen, warum es bei bestem Willen nicht möglich war, die gute Absichten in die Realität umzusetzen.
All das ist gang und gäbe, und leider haben sich zu viele Menschen schon längst daran gewöhnt – zumal diejenigen Politiker, die uns das Blaue vom Himmel versprochen hatten, nicht für gebrochene Versprechen zu Rechenschaft gezogen werden. Viele von ihnen verschwinden ohnehin nach der nächsten Wahl im »wohlverdienten Ruhestand«, gut versorgt mit üppigen Pensionen und oft genug auch mit gut dotierten Posten bei Banken, Konzernen oder Stiftungen.
Aber derartig krass und frech wie in unserem Nachbarland jenseits der Mosel sind die Wähler wohl bisher kaum betrogen worden. Da versicherten der Kanzlerkandidat der christlichen Demokraten und seine Satrapen vor der Wahl taugaus, tagein, man werde sich mit Händen und Füßen dagegen wenden, neue und noch größere Schulden zu machen, die zu Lasten der nächsten Generationen gehen werden.
Und nun hat die neue Regierung – noch bevor sie überhaupt gebildet werden konnte – genau dieses Wahlversprechen mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit über Bord geworfen. Angeblich hat sich die »sicherheitspolitische Lage« seit der Wahl am 23. Februar derartig verändert, daß neue Schulden nicht nur möglich gemacht werden müssen, sondern auch noch in dem gigantischen Umfang von einer runden Billion Euro. Von »Verteidigung« ist die Rede, die mit mindestens 500 Milliarden finanziert werden müsse, und von dringend notwendigen Investitionen in die Infrastruktur – gemeint sind dabei vor allem Straßen und Brücken, die für Militärtransporte in Richtung Osten benötigt werden. Das alles soll nun unter völliger Mißachtung des vielzitierten »Wählerwillens« noch rasch vom abgewählten Bundestag beschlossen werden, da man sich im neu gewählten Parlament nicht über notwenige Mehrheiten sicher ist.
Die großen Medien, die in diesen Tagen den beabsichtigten Sturz der serbischen Regierung begeistert befeuern, weil dort ein abgestütztes Bahnhofsvordach zu Todesopfern geführt hat, verharren in beredtem Schweigen angesichts maroder Schulen, des kränkelnden Gesundheitswesens oder der Tatsache, daß Kommunen nicht genügend Geld haben, um ihre Angestellten ordentlich zu bezahlen – schließlich wird das viele Geld ja für Kanonen dringender benötigt.
Der Wahrheit zuliebe ist allerdings zu erwähnen, daß der neue Möchtegernkanzler auf jeden Fall ein Wahlversprechen einhalten wird: Kürzungen bei sozialen Ausgaben, soviel ist sicher.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek