80 Jahre Befreiung Österreichs
Übernommen von KOMintern:
Die blutigen Kämpfe gegen Reste der SS-Truppen und Wehrmacht waren auf dem Gebiet der sogenannten „Ostmark“ des „großdeutschen Reichs“ – sprich: Österreichs – noch im Gange, als sich unter dem Schutz der Roten Armee am 27. April 1945 im befreiten Wien die aus den antifaschistischen Parteienverhandlungen und Kontakten mit der sowjetischen Befreiungsarmee hervorgegangene Provisorische Regierung unter Staatskanzler Karl Renner konstituierte und die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnete. „Österreich, dessen eigenständige nationale und staatliche Existenz der Hitler-Faschismus für immer auslöschen wollte, war damit als ‚demokratische Republik‘ wiedererrichtet“, wie es in einer Publikation zum 40. Jahrestag der Befreiung und Wiedererrichtung prägnant auf den Punkt gebracht wurde. Die Unabhängigkeitserklärung trägt die Unterschriften von Karl Renner, Adolf Schärf (beide SPÖ), Leopold Kunschak (ÖVP) und Johann Koplenig für die KPÖ – die im Widerstandskampf und Kampf für die Befreiung Österreichs von Hitler-Faschismus und Fremdherrschaft die weitaus größten Opfer gebracht hatte.
I) In eins mit der von der Sowjetunion umgehend gestatteten und unterstützten Wiederbegründung der Parteien, der SPÖ, ÖVP und KPÖ, vollzog sich zugleich die Gründung des österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und die Wiederbegründung Arbeiterkammer. Karl Renner schrieb begleitende hierzu denn auch: „Ohne die Rote Armee wäre keiner meiner Schritte möglich gewesen, und dafür bleibe nicht nur ich, dafür bleibt die künftige Zweite Republik Österreich … Ihnen, Herr Marschall, und ihrer siegreichen Armee für alle Zukunft zum Dank verpflichtet.“ In diesem Zusammenhang lohnt es nicht minder, sich ebenso nochmals die Reden Karl Renners, Leopold Figls, Theodor Körners und Ernst Fischers bei der feierlichen Enthüllung des Heldendenkmals der Roten Armee am Schwarzenbergplatz nachzuschlagen, „die nachzulesen“, wie es Hans Hautmann vor einem Jahrzehnt pointiert formulierte, „einen Begriff davon vermitteln, welchen Dank und welche Ehrerbietung das offizielle Österreich damals noch der zur Weltmacht aufgestiegenen Sowjetunion für die Befreiung Wiens zollte“.
Bei dieser – seinerzeit auch live im Radio übertragenen – Enthüllung Mitte August 1945 formulierte Karl Renner (in Beisein der beiden genannten, anwesenden Staatssekretäre, sprich: Minister, für die ÖVP und KPÖ, sowie Wiens Bürgermeister Theodor Körner): „Die späteren Geschlechter werden in Andacht erschaudernd bekennen: Die kühnen Heldentaten der Roten Armee, die heilige Opferbereitschaft der Sowjetsoldaten und die meisterhafte Führung ihres Generalissimus Stalin haben das fluchwürdige Regime des völkervernichtenden Nationalsozialismus beseitigt. Die ganze Menschheit ist in ihrer Schuld … Wir geloben für uns und die, die nach uns kommen: Felsenfest wie dieses Denkmal ist unser Vertrauen und unsere unvergängliche Dankbarkeit für die Rote Armee.“
II) Einzig in Parenthese sei in diesem Kontext noch dem Vergessen entrissen, dass – während die Sowjetunion auf Grundlage der Moskauer Deklaration der Alliierten von 1943 entschieden für die Wiederherstellung eines eigenständigen, unabhängigen und demokratischen Österreich eintrat – aufgrund der bis dahin noch schwelenden Diskussion der westlichen Alliierten über eine Donaukonföderation mit Bayern und Ungarn bzw. letztlich fallengelassener Versuche der Einsetzung einer konservativen Gegenregierung in Westösterreich, samt Inkaufnahme einer (Auf-)Spaltung Österreichs, die Regierung zunächst nur in der Sowjetzone anerkannt war. Auch Parteien, Gewerkschaften und die Arbeiterkammer waren zunächst nur in der sowjetischen Zone zugelassen. In Westösterreich, also den Zonen der Westalliierten, wurden demgegenüber vorerst Militärregierungen eingerichtet. Erst mit dem September-Beschluss des Alliierten Rates wurden den drei Gründungsparteien der Zweiten Republik sowie dem ÖGB die politische Tätigkeit auch in den westlichen Zonen und damit ganz Österreich gewährt.
III) Freilich, spätestens mit der schrittweisen Auflösung des antifaschistischen Konsens der Alliierten und in Österreich sowie Beginn des Kalten Kriegs machte der Antikommunismus, der Antisowjetismus und das Feindbild Russland (gestützt auf russophoben Grundstimmungen) wieder Karriere. Das schmähliche „Privileg“ am unerträglichen Machwerk der grotesken antikommunistischen Entschließung des EU-Parlaments von 2019, die darauf abzielt, den Realsozialismus bzw. Kommunismus geschichtsverfälschend, ahistorisch und geschichtsrevisionistisch wie durch Verleumdungen mit dem Nazi-Faschismus gleichzusetzen, gebührt indessen erst dem niederträchtigen Treiben zeitgenössischer politischer Figuren. Von diesen zwischenzeitlich noch globalstrategisch amalgamiert um die Platz greifenden skandalösen Ausgrenzungen und Ausladungen russischen (und belarussischer) Vertreter von Gedenkveranstaltungen und Befreiungsfeiern – oder wie die FIR (Internationale Föderation der Widerstandskämpfer) diese bis ins Pathologische hysterisierte, politische Instrumentalisierung des Gedenkens an die Befreiung vom Nazi-Faschismus durch die Regierenden charakterisiert hat: „Gedenken der Befreier – ohne die Befreier?“
IV) In zwar gewohnt diplomatischer Tonalität, in der Sache aber nichts an Eindeutigkeit hinsichtlich der Gedenken in Österreich missend, meinte dazu jüngst denn auch der ehemalige österreichische Bundespräsident Heinz Fischer: „Unser Gedenken bezieht sich primär auf die Opfer des von Hitler vom Zaun gebrochenen II. Weltkrieges und ganz besonders auf das opferreiche, unvergessliche Ende des II. Weltkrieges im Mai 1945, auf die ermordeten Juden, auf die Befreiung Österreichs und die Wiederherstellung eines selbständigen, demokratischen Österreich im April 1945 sowie auch auf Dankbarkeit gegenüber den vier alliierten Mächten – USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich –, die unter großen und größten Opfern den Faschismus und den Hitlerismus zerschlagen haben. Diese historischen Fakten kann man weder … leugnen noch revidieren … Ich bin also dafür, historische Fakten zu akzeptieren und nicht eine nachträgliche Geschichtsklitterung zu versuchen. Was sich 1945 abgespielt hat, sind historische Fakten.“ Und weiter, im hiesigen Kontext nochmals in dieselbe Kerbe schlagen: „Die Geschichte neu zu schreiben und historische Tatsachen beiseitezulassen, das erscheint mir absolut unzulässig.“ (Das gesamte Interview in: International. Zeitschrift für internationale Politik, Nr.: 1/2025, Wien.)
V) So skandalös, so durchsichtig ist die Exkommunikation Russlands, als Rechtsnachfolger der Sowjetunion, aus dem Kreis der Alliierten seit dem Ukrainekrieg freilich auch. Denn dass etwa Frankreich über seinen grausamen Kolonialkrieg gegen Algerien 1954 – 1962 und seinem blutigen Indochinakrieg gegen Vietnam 1946 – 1954, nebst anderen Kriegen (etwa im Rahmen seiner unterschiedlichen „Koalitionen der Willigen“, wie etwa der heute wieder Pate stehenden französisch-britischen Militärkooperation der siebenmonatigen Zurückbombardierung Libyens in einen „Failed state“ 2011), allein seit der Unabhängigkeit seiner ehemals afrikanischen Kolonien in diesen seither rund sechzig Mal militärisch interveniert – statistisch also ziemlich genau einmal pro Jahr –, war Berlin, Wien oder Warschau noch nie Exkommunikationsgrund. Dasselbe gilt für Großbritannien, das – wie ein indischer Historiker jüngst unter generellerem, dadurch freilich weitergespanntem aber das britische Empire damit kriegsgeschichtlich durchaus ebenso in der Ära von 1945 bis in der Gegenwart charakterisierenden, weltpolitischem Blickwinkel Perspektive herausarbeitete: „Es gibt nur 22 Länder, in die Großbritannien im Laufe der Geschichte nie einmarschiert ist.“ Von den USA ganz zu schweigen. (Ein kompakter Überblick hierzu lässt sich etwa dem recht aktuellen Buch des deutschen Historikers und Amerikanisten Bernd Greiner: „Made in Washington: Was die USA seit 1945 in der Welt angerichtet haben“ entnehmen.) Daran rüttelte weder der Vietnamkrieg 1955 – 1975, der dieser Tage vor 50 Jahren den Beginn seines Endes fand, oder der sich 8 Jahre hinziehende völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen den Irak 2003, geschweige denn der 20-jährige Afghanistankrieg 2001 – 2021, der längste, vier US-Präsidentschaftsperioden – G. W. Bush, B. Obama, D. Trump, J. Biden – überspannende Kriegseinsatz der US-Geschichte. Oder, dass die USA nur drei Monate nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht bekanntlich die ersten Atombomben über Hiroshima und Nagasaki abwarfen. Dieser erste atomare Massenmord steht zweifellos mit an der Spitze historisch beispielsloser Kriegsverbrechen und leitete zugleich ein neues Zeitalter der internationalen Politik ein.
Unbestritten indes blieb gleichviel, dass alle beteiligten Armeen der Anti-Hitler-Koalition die Welt 1945 von der bislang verbrecherischsten Ausgeburt faschistischer Barbarei und des Imperialismus befreiten. Ebenso wie, dass die Sowjetunion und die Rote Armee dafür den höchsten Blutzoll und den höchsten Preis aller Alliierten und Armeen der Anti-Hitler-Koalition zahlten.
Quelle: KOMintern