Flucht vor Krieg

Festung Europa in Melilla. Foto: Noborder Network (CC BY 2.0)Stark ansteigende Zahlen von Flüchtlingen beherrschen derzeit die Schlagzeilen der Medien. Es ist geradezu pervers, wie hier mit menschlichem Elend Stimmung gemacht wird. Schreckliche Bilder und Schreckensnachrichten über die Flucht zehntausender Menschen werden benutzt, um politische Botschaften zu vermitteln – allerdings solche Botschaften, die weder den Flüchtenden nützen noch den hilfsbereiten Menschen hier, die guten Willens sind, das Elend ein wenig zu mildern.

Es ist – und das ist sehr zurückhaltend formuliert – schlicht unredlich, wenn ein Reporter des deutschen CDU-Fernsehens sich an der Küste der griechischen Insel Kos aufbaut und großmäulig bemängelt, daß die dort gestrandeten Flüchtlinge nicht genügend Unterstützung bekommen – während zur gleichen Zeit die Brötchengeber des ZDF-Mannes alles unternehmen, um dem griechischen Staat sämtliche Gelder zu entziehen, damit die Bilanzen der deutschen Großbanken stimmen. Und es ist noch unredlicher, wenn das ZDF-Team völlig ungerührt den Weg der Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland zeigt, ohne zu erwähnen, daß der NATO-Partner Türkei in genau dem gleichen Moment dabei ist, mit Luftangriffen das Elend der Menschen im Nachbarland Syrien und im Irak noch zu vergrößern und noch mehr Menschen in die Flucht zu treiben, die dann zum Beispiel in Griechenland ankommen, weil sie meinen, in der EU einen »sicheren Hafen« gefunden zu haben.

Viel ist die Rede über »Schleuserkriminalität«, darüber, daß man die Netzwerke und die Boote der Menschenhändler zerschlagen muß. Allerdings sind nicht die Schleuser, die unter Ausnutzung kapitalistischer Methoden mit dem Elend der Flüchtenden Kasse machen, die Ursache für die Massenflucht.

Der größte Teil der Flüchtlinge ist nicht unterwegs in Richtung Europa, um hier vermeintlich ein bequemeres Leben zu führen. Die Menschen fliehen, weil in ihren Ländern blutige Kriege toben. Und diese Kriege wurden entweder von Staaten der NATO und der EU entfacht oder unterstützt – wie die »Befreiung« Afghanistans und des Irak durch die USA und ihre NATO-Verbündeten – oder sie entstanden als Folge von Kriegen, bei denen die NATO und die EU ihre Hände im bösen Spiel hatten, wie zum Beispiel in Libyen, im Südsudan, in Somalia, in Äthiopien…

Das akuteste Beispiel ist der Krieg in Syrien, der in den bürgerlichen Medien weiterhin als »Bürgerkrieg« bezeichnet wird, obwohl es eindeutig ein Terrorkrieg unterschiedlichster religiös motivierter Banden ist, die sich zum Teil gegenseitig bekriegen, vor allem aber vom Westen und den erzreaktionären Golfmonarchien dafür ausgerüstet, ausgebildet und finanziert werden, um in Syrien einen »Regimewechsel« herbeizuschießen.

Rußland und der Iran, dazu Teile der syrischen Opposition und die syrische Regierung selbst haben unter Vermittlung der UNO in den letzten Tagen und Wochen erneut Initiativen ergriffen, um den Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen. Torpediert werden diese Bemühungen immer wieder durch die USA und die vom Westen protegierte Exil-Opposition mit Sitz in der Türkei. Davon allerdings ist kaum die Rede in den bürgerlichen Medien.

Wenn die Friedensnobelpreisträger EU und Barack Obama sich endlich dazu durchringen könnten, wirkliche Schritte in Richtung Frieden zu unterstützen, statt weiterhin den Krieg anzuheizen, hätten sehr viele Menschen in Syrien einen guten Grund, nicht aus ihrer Heimat zu fliehen.

Uli Brockmeyer; Leitartikel der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« vom 18. August 2015