»Panama Papers«: Gewöhnlicher Kapitalismus

Montage: RedGlobeEs sollte einschlagen wie eine Bombe. Am Sonntag, genau um 20 Uhr zur besten Tagesschau-Zeit, wurden erste Informationen freigegeben, die durch Recherchen von 370 Journalisten aus 78 Ländern ans trübe Tageslicht gebracht wurden. Diese Recherchen bestanden vornehmlich im Durchstöbern von rund 11,5 Millionen Dateien. Es handle sich um »ein gigantisches Leak in einer bislang nicht vorstellbaren Dimension«, schwärmen Journalistenkollegen.

Den Datensatz hatte eine anonyme Quelle der »Süddeutschen Zeitung« zugespielt, die teilte die Daten mit dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) und Partnern auf der ganzen Welt. Es handelt sich um E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Paßkopien und weitere Dokumente zu rund 214.000 Gesellschaften. Die Unterlagen stammen aus der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, einer Beraterfirma, die sich darauf spezialisiert hat, Unternehmen und Superreichen aus aller Welt den Weg zu bequemen Steuerschlupflöchern zu ebnen. Alles ganz legal, wie Banken umgehend versichern – vor allem die Banken, die in den Massen-Steuerbetrug verwickelt sind.

Was ist eigentlich das Besondere, das Bemerkenswerte an diesem Skandal? Wohl vor allem der Fakt, dass bisher noch nie derartig viele Fälle aufgedeckt wurden und etliche Namen von Personen genannt werden, die nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik und im Sport eine Rolle spielen. Dass diese Tatsachen nun vor der erstaunten Öffentlichkeit ausgebreitet werden, wird wohl zu einigen Kollateralschäden führen. Das heißt, dass möglicherweise der eine oder andere Politiker seinen Platz räumen wird. Das System an sich wird jedoch keinen dauerhaften Schaden davontragen.

Was dort in Panama eingefädelt wurde, entspricht voll und ganz dem Charakter des kapitalistischen Systems. Dessen Grundsatz besteht bekanntlich darin, die besten Bedingungen dafür zu schaffen, dass die Herrschenden aus ihrem Besitz an Produktionsmitteln den größtmöglichen Profit herausholen können. Vornehmlich geschieht das durch die Ausbeutung der Arbeitskraft Mensch, also die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Das haben bereits Karl Marx und Friedrich Engels im Jahr 1848 festgestellt. Um das durchzusetzen, schuf sich die herrschende Kapitalistenklasse ihr eigenes Machtinstrument, den Staat, mit einem Wust von Gesetzen und Regelungen, die sämtlichst ihrem Ziel des größtmöglichen Profits untergeordnet sind. Dazu gehört auch das für gewöhnliche Menschen schier undurchschaubare System der Steuern.

Vor Jahrzehnten war es noch üblich, dass kapitalistische Unternehmen brav ihre Steuern zahlten, schließlich dienten die ja der Aufrechterhaltung des Staates, also ihres Machtinstruments. Dann setzte sich nach und nach der Gedanke durch, dass man sich auch durch »Steuervermeidung« bereichern kann, und die herrschende Klasse schuf dazu die entsprechenden Gesetze. Damit wurde ein Zustand erreicht, in dem die Vielen mit den kleinen Einkommen einen immer größeren Anteil am Steueraufkommen des Staates einzahlten, und die Reichen entsprechend weniger. Mit Steueroasen in der Schweiz, in Luxemburg, auf pazifischen Inseln oder eben in Panama wurde das System immer mehr perfektioniert. Nichts anderes zeigt die Veröffentlichung der »Panama papers«.

Interessant ist, dass die Menschen mit einem Einkommen von ihrer Hände Arbeit genau diese Möglichkeit nicht haben. Der Grund ist ganz einfach: Würden die Vielen aufhören, ihre Pflicht gegenüber dem Fiskus zu erfüllen, dann müßten die Reichen beginnen, ihre Steuern zu zahlen. Das bleibt so, solange dieser Staat besteht, solange die Kapitalisten die herrschende Klasse sind, und nicht die Arbeiter.

Uli Brockmeyer, Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek