Protest gegen Zustände bei Amazon

Zeitung vum Letzebuerger VollekAm Freitagmorgen wuselte der stiernackige Sicherheitsangestellte des Amazon-Büros in der rue Plaetis in Luxemburg-Grund aufgeregt hin und her, als sich im strömenden Regen immer mehr Menschen mit Transparenten und Fahnen in der kleinen Gasse vor dem anson­sten unscheinbaren Eingang von Amazon Europe in der Hauptstadt versammelten. Einige Angestellte versuchten, durch die Fenster zu feixen, wurden aber vom Sicherheitsmann schnell weitergeschoben. Nur im ersten Stock wurden die Nasen ans Fenster gedrückt, was denn da unten vor sich geht.

Etwas mehr als 50 Gewerkschafter, die an den Amazon-Standorten in Deutschland, Polen, Frankreich, Spanien, Slowakei oder Tschechien aktiv sind, trafen sich mit Kollegen des OGBL, um Amazon erneut aufzufordern, die eigenen Angestellten an den jeweiligen Standorten, die den Erfolg des Onlineversandhändlers mit ihren Händen erarbeiteten, endlich mit Respekt zu behandeln. »Wir wünschen uns, stolz sein zu können, für Amazon arbeiten zu dürfen und mit Respekt behandelt zu werden«, erklärte Andy Snoddy von der Gewerkschaft Uni Global Union in einem Schreiben an den Europa-Vizepräsidenten von Amazon, Roy Perticucci.

Seit Jahren schon kämpfen Amazon-Angestellte in Deutschland und Frankreich für einen angemessenen Tarifvertrag, während das Unternehmen sie gegen die Beschäftigten an den osteuropäischen Standorten und in Spanien auszuspielen versucht. Man werde nicht ruhen, so Snoddy, bis europaweite Übereinkünfte zwischen Patronat und Beschäftigten getroffen worden seien. Genauso, wie Amazon seine Arbeitsbedingungen europaweit standardisiert habe, werde man nun die gewerkschaftlichen Kräfte gleichermaßen bündeln.

Nach Ansichten der Uni Global Union führe die Digitalisierung, die sogenannte »Industrielle Revolution 2.0«, die uns immer wieder als Fortschritt für das Arbeitsleben propagiert wird, genau ins Gegenteil: Amazon hat die neuen Technologien gnadenlos ausgenutzt, um die eigenen Angestellten gläsern zu machen. Wer zu lange braucht, um ein Paket zu schnüren oder 5 Minuten Pause macht, steht schnell auf der Abschußliste. Amazon-Angestellte arbeiten teils, wie in Polen, bis zu 10 Stunden täglich für einen Hungerlohn von um die 4 Euro und legen dabei bis zu 20 Kilometer zu Fuß zurück. Amazon hat immer wieder versucht, mit eilig heran gekarrten Tagelöhnern aus osteuropäischen Ländern, Streikbruch an deutschen Standorten zu begehen.

Die versammelten Vertreter der Amazon-Standorte schilderten ihre Situationen und forderten Amazon Europe, das sicherlich seinen Standort nicht wegen der schönen Aussicht in Luxemburg hat, ultimativ auf, endlich in Verhandlungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu treten.

Anstatt sich an diesem Freitagmorgen den wütenden Demonstranten zur Diskussion zu stellen, zog man es in der rue Plaetis lieber vor, die Polizei zu rufen, welche sich das Geschehen entspannt aus der Entfernung ansah.

Amazon werde seinen Erfolg nicht steigern, indem es gute Löhne und Arbeitskonditionen, sowie konstruktiven Dialog weiterhin verweigere, so das Schreiben der Gewerkschafter abschließend.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek / RedGlobe