Selbstverpflichtungen reichen nicht – Lieferkettengesetz muss soziale Standards setzen für Zuliefererbeschäftigte

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) verurteilt den Umgang der europäischen Textilindustrie mit den Beschäftigten in den Zulieferfabriken im globalen Süden aufs Schärfste. Seit Mai hätten immer mehr – vorwiegend weibliche – Beschäftigte in Indien, Bangladesch und Sri Lanka ihre Arbeit ohne Lohnfortzahlung oder sonstige soziale Absicherung verloren, heißt es in einer Resolution der Gewerkschaft und der Gesamtbetriebsräte verschiedener Textilketten in Deutschland.

„Wieder einmal wird deutlich, dass einseitige Selbstverpflichtungen der Unternehmen nichts anderes als Täuschungsmanöver sind. Um die Rechte der Beschäftigten und die Menschenrechte in der Zuliefererkette zu sichern, sind rechtsverbindliche Gesetze und vor allem Tarifverträge mit den Gewerkschaften vor Ort zwingend notwendig“, sagt Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter für den Einzelhandel bei ver.di.

Viele der Fabriken beliefern die europäische und deutsche Textilindustrie. Beispielsweise lässt der indische Zulieferer Gokaldas Exports für die Bekleidungskette Hennes & Mauritz (H&M) produzieren. Dort seien vor kurzem 1.200 Beschäftigte ohne Vorankündigung auf die Straße gesetzt worden. Nun klagten die Beschäftigten gegen die rechtswidrigen Entlassungen, so die Vorsitzende der Gewerkschaft GATWU, Prathibha R. Ramanath, die die Arbeitskämpfe in verschiedenen Textilfabriken anführt. „Der Zulieferer Gokaldas lehnt jegliche Verantwortung für die Beschäftigten ab und begründet den justiziablen Vorgang mit Auftragseinbrüchen während der Corona-Pandemie. Und auch H&M verweigert jegliche ernsthafte Verhandlung über eine soziale Lösung für die Beschäftigten, trotz öffentlicher Bekundungen, in der Pandemie Verantwortung zu übernehmen,“ so Ramanath.

Noch 2019 hatte H&M 90 Prozent des Produktionsvolumens von Gokaldas Exports in Indien abgenommen. Damit hätte der indische Zulieferer allein 2019 einen Gewinn von rund 4,5 Millionen Euro erzielt; bei H & M habe der Gewinn 2019 über 1,3 Milliarden Euro betragen. „Profit ohne Verantwortung geht nicht, vor allem nicht in der Coronakrise“, sagt Saskia Stock, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von H&M in Deutschland. Deshalb hätten die Betriebsräte zusammen mit ver.di und den Beschäftigten bei H & M, Zara und Primark ein Papier verfasst, in dem sie sich mit den Näherinnen in den südasiatischen Textilfabriken solidarisieren.

Am heutigen Dienstag (14. Juli 2020) werden die Ergebnisse der zweiten Unternehmensbefragung zum Lieferkettengesetz dem Interministeriellen Ausschuss für Wirtschaft und Menschenrechte in Berlin vorgestellt. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hatte vor Monaten darauf gedrängt, dass sich die Entwicklungshilfe künftig an der Einhaltung von Menschenrechten und nachhaltigen Lieferketten orientieren soll. „Im Falle der Textilindustrie in Bangladesch, Indien und Sri Lanka kann die Bundesregierung jetzt zeigen, wie ernst es ihr damit ist“, so Gewerkschafter Orhan Akman.

Quelle:

ver.di