Auf dem Weg Ho Chi Minhs

Am Montag beendete der 13. Parteitag der Kommunistischen Partei Vietnams in Hanoi seine einwöchigen Beratungen über eine Erneuerung, Verjüngung und die Aufgaben des sozialistischen Weges. Seit Oktober hatte die KPV eine Homepage zur Online-Vorbereitung des Parteitags eingerichtet, auf der neben Eingaben auch Leitanträge vorgestellt wurden.

Das für Dienstag vorgesehene Ende des Kongresses war wegen der Coronapandemie auf Montag vorverlegt worden, da es Ende vergangener Woche im Norden des Landes, aber auch in Hanoi neue Fälle von Corona-Infektionen gegeben hatte. Seit Montag sind in der Hauptstadt unter anderem Schulen, Bars und Karaoke-Lokale wieder geschlossen worden. Insgesamt hat die Sozialistische Republik Vietnam – im Gegensatz zu den verheerenden Auswirkungen der furchtbaren Pandemie in den Ländern des Kapitals – die Menschen vor dem Unglück jedoch relativ gut geschützt.

Dank extrem strikter Maßnahmen wurden von den über 60 Millionen Einwohnern bisher rund 1.800 infiziert, 35 Personen starben im Zusammenhang mit Covid. Alle Neuinfektionen sind nach Angaben der Behörden »eingeschleppt« worden.

Die derzeit 5,2 Millionen Mitglieder der kommunistischen Partei wurden auf dem Kongreß von 1.590 gewählten Delegierten vertreten. Am Sonntag wurde Generalsekretär Nguyen Phu Trong, der seit 2018 auch Staatspräsident ist, für eine dritte Amtszeit wiedergewählt. Außerdem wurden ein neues Zentralkomitee und ein 18-köpfiges Politbüro gewählt, berichtete die Nachrichtenagentur Vietnam News Agency (VNA). Vor dem Parteitag wurden in 22 Provinzen bereits die neuen Leitungen gewählt, die teilweise deutlich verjüngt sind. Die neuen Parteisekretäre sind zwischen 45 und 55 Jahre alt und verfügen über eine sehr gute Ausbildung – zumeist in Ökonomie und Jura; aber auch Absolventen in Biologie, Chemie, Philosophie und Maschinenbau sind vertreten. Kritische Stimmen vermerkten, daß Frauen unterrepräsentiert sind.

Wegen der Corona-Pandemie waren erstmals keine ausländischen Delegationen eingeladen worden. Bruderparteien aus aller Welt, darunter die Kommunistische Partei Luxemburgs, übermittelten schriftlich ihre solidarischen Grüße. Da auch nur eine begrenzte Zahl an Journalisten vor Ort zugelassen werden konnte, fanden während des Parteitages Onlinepressekonferenzen statt, zu denen Medienanstalten aus aller Welt Zugang hatten.

Der Rechenschaftsbericht der Parteiführung, den Generalsekretär Nguyen Phu Trong vortrug, widerspiegelte, daß Vietnam auf seinem sozialistischen Weg als einstiges Agrarland zu einem modernen Industriestaat aufsteigt. Mit jährlichen Wachstumsraten von sechs bis acht Prozent ist seine Wirtschaft die stärkste im gesamten südostasiatischen Raum.

2018 exportierte die SRV Waren und Dienstleistungen im Wert von über 35 Milliarden Euro in EU-Länder und importierte von dort ein Volumen von über zehn Milliarden Euro. Mit dem im Juli 2019 mit der Europäischen Union abgeschlossenen Freihandelsabkommen (EU-Vietnam Free Trade Agreement, EVFTA) wird eine weitere Steigerung erwartet.

Die SRV trägt dazu bei, die Kooperation zwischen den Staaten Asiens auf friedlicher und gutnachbarlicher Basis zu entwickeln. Im November 2017 war sie in Da Nang erfolgreiche Gastgeberin des Gipfeltreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC). Im Juni 2020 richtete Hanoi per Video-Konferenz den 36. Gipfel der Regierungschefs des Verbandes Südostasiatischer Staaten (ASEAN) aus.

Von diesen Erfolgen ausgehend standen im Mittelpunkt der Beratungen die mittel- und langfristigen sozialökonomischen Aufgaben für den kommenden Fünfjahreszeitraum und die langfristige Entwicklung bis zum Jahr 2030, dem Jahr des 100. Jahrestages der Gründung der Partei, bis zu dem Vietnam ein »Entwicklungsland mit moderner Industrie und einem gehobenen Einkommensniveau« werden soll. Bis Mitte des 21. Jahrhunderts soll eine sozialistisch orientierte Nation entstehen, deren materielle Lebensbedingungen und Einkommen sogenannten entwickelten Ländern entsprechen.

Im Juli 2026 wird der 50. Jahrestag der nach dem Sieg im Befreiungskrieg gegen die USA im April 1975 gegründeten Sozialistischen Republik Vietnam eine Meßlatte bilden. Der Kongreß erinnerte ebenso daran, daß im August vergangenen Jahres Vietnam dem 85. Jahrestag seiner siegreichen nationalen Befreiungsrevolution und danach am 2. September die Proklamation der Unabhängigkeit in Gestalt der Demokratischen Republik Vietnam durch Ho Chi Minh feierte.

Die Parteizeitung »Nhan Dan« hob die große Bedeutung hervor, die der Bildung sowie der Nutzung von Wissenschaft und Technologie beigemessen wird, darunter in den Regionen der nationalen Minderheiten. Dazu lagen dem Parteitag ausführliche Anträge vor, darunter auch über die Weiterführung der »sozialistischen Marktwirtschaft«.

In seinem Schlußwort griff Generalsekretär Nguyen Phu Trong das Thema der Bekämpfung der Korruption auf, die auch in der Partei um sich griff. »Wir haben uns Millionen US-Dollar zurückgeholt« und »wir werden den Kampf gegen die Korruption fortsetzen«, versicherte er. Das sind keine leeren Worte, den Trong hat den Kampf gegen die Korruption in den vergangenen Jahren als »Chefsache« persönlich verfolgt, was dazu führte, daß mehrere hochrangige Funktionäre, darunter zwei Mitglieder des Politbüros verurteilt und aus der Partei ausgeschlossen wurden. 2018 leistete die Bundesrepublik Deutschland offiziell dem wegen 100 Millionen schwerer Korruption angeklagten vietnamesischen Vorstandsvorsitzenden des Baukonzerns Petro-Vietnam Construction, Trinh Xuan Thanh, Schützenhilfe, in dem ihm, als er vor der Verurteilung floh, Unterschlupf gewährt und seine Auslieferung verweigert wurde. Trinh kehrte später auf Rat seiner Familie freiwillig nach Hanoi zurück und wurde verurteilt.

Der Parteitag verdeutlichte einmal mehr den historisch entscheidenden Beitrag, den die Kommunisten Vietnams nach der Niederlage des Sozialismus in der Sowjetunion und den Ländern Osteuropas 1989/90 für die kommunistische und Arbeiterbewegung geleistet haben. Hoffnungen ihrer Gegner, die Partei werde den Weg osteuropäischer kommunistischer und Arbeiterparteien gehen und den Pfad der Sozialdemokratie einschlagen, erwiesen sich als Trugschluß. Die Partei Ho Chi Minhs und seiner Nachfolger hat sich nicht gewendet. Von damals 2,5 Millionen Mitgliedern stieg ihre Zahl auf die auf dem 13. Parteitag angeführten 5,2 Millionen auf mehr als das Doppelte an. 60 Prozent der Parteimitglieder sind Jugendliche.

Gerhard Feldbauer

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – Auf dem Weg Ho Chi Minhs