Union Buster kriegen Kontra

In den USA steht der bislang wichtigste Arbeitskampf beim Internethändler Amazon an. Am kommenden Montag sind die gut 6.000 Schaffenden eines Logistikzentrums des Onlineriesen in Bessemer im Bundesstaat Alabama aufgerufen zu entscheiden, ob sie künftig gewerkschaftlich vertreten werden wollen. Mit der Abstimmung gab die Arbeitsbehörde einem Antrag der Handelsgewerkschaft RWDSU statt, der von 1.500 Beschäftigten unterstützt wurde.

Sollten sich bei der pandemiebedingt per Briefwahl durchgeführten Abstimmung mehr als die Hälfte der Belegschaft für die zum US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO gehörende RWDSU entscheiden, wäre Amazon per Gesetz verpflichtet, mit den Salariatsvertretern Verhandlungen über einen Kollektivvertrag aufzunehmen.

Das wäre tatsächlich historisch, mußte sich der Konzern doch in seinem Heimatland bisher kaum mit organisierten Arbeitern auseinandersetzen. Auch ein Vierteljahrhundert nach seiner Gründung ist Amazon in den USA praktisch gewerkschaftsfrei, zählt aber mit gut 400.000 Beschäftigten an 800 Logistikstandorten zu den größten »Arbeitgebern« des Landes.

Die wenigen Versuche, an Amazon-Standorten Gewerkschaftsvertretungen zu wählen, sind bislang alle gescheitert. Beim letzten Versuch vor bald sieben Jahren reichte es im Bundesstaat Delaware, daß eine kleine privilegierte Gruppe von Technikern eines Amazon-Servicezentrums gegen die Gründung einer Gewerkschaft stimmte. Die zuständige Internationale Vereinigung von Maschinisten und Luft- und Raumfahrtarbeitern (IAMAW) berichtete später, vor der Abstimmung in Delaware habe das lokale Management »intensiven Druck« auf die Belegschaft ausgeübt.

Zwar wäre es nicht der erste Erfolg organisierter Arbeiter gegen Amazon in den USA – 2018 und 2019 konnte der Bau einer weiteren Amazon-Zentrale in New York City mit Protestpiquets, Manifestationen und erstmals sogar kleineren Streiks verhindert werden –, doch allein aufgrund der Größe des Zentrums in Bessemer hat der aktuelle Sozialkonflikt eine weitaus größere Bedeutung. Die »Washington Post« sagte bereits die »größten Arbeitskämpfe in den Vereinigten Staaten seit Jahren« voraus.

Doch auch die Gegenseite rüstet auf. Zwar wurde ein Antrag der Konzernanwälte, die Abstimmung mitten in der Coronakrise im Betrieb stattfinden zu lassen, vom staatlichen Schlichtungsamt unter Hinweis auf die in Bessemer hohen Infektionszahlen abgelehnt, doch eine vom Konzern beauftragte Werbeagentur hat bereits unter www.doitwithoutdues.com – etwa: »Mach es ohne Beiträge« – eine gegen die Gewerkschaft gerichtete Internetseite online gestellt. Dort heißt es, es gebe keinen Grund, Mitgliedsbeiträge an die Gewerkschaft zu zahlen, da Amazon ja bereits »hohe Löhne«, eine »Krankenversicherung« und »zahnärztliche Leistungen« biete.

Zudem setzt der Konzern wieder auf die Dienste der Kanzlei Morgan Lewis. Die war Amazon bereits beim vor sieben Jahren erfolgreich abgewehrten gewerkschaftlichen Organisierungsversuch im Servicezentrum in Delaware behilflich. Bereits in den 80er Jahren hatte die AFL-CIO Morgan Lewis als »Top Union Buster« (auf die Bekämpfung der Gewerkschaften spezialisierte Kanzleien) charakterisiert.
Allein deshalb würde ein Gewerkschaftssieg in Bessemer nicht nur die gesamte Amazon-Belegschaft beleben, sondern auch die geschwächte Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in den USA verjüngen.

Oliver Wagner

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – Unser Leitartikel: <br/>Union Buster kriegen Kontra