Wir vergessen den 22. Juni nicht
Friedensaktivistinnen und -Aktivisten erinnerten am 22. Juni an den Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjet-Union. Unter dem Motto „Wir vergessen nicht!“ hatte die „Friedenskoordination Berlin“ zu einer Kundgebung am Sowjetischen Ehrenmal im Berliner Treptower Park aufgerufen. Rund 200 Menschen folgten dem Aufruf. Die Sängerin Gina Pietsch begleitete die Kundgebung mit Werken von Bertolt Brecht und Hanns Eisler. Es sprachen Anja Mewes, Vorsitzende der Friedensglockengesellschaft e.V. und Heiner Bücker vom COOP-Café. Die Rede von Hans Bauer (DKP) von der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“ (GRH) dokumentieren wir an dieser Stelle:
„Wir vergessen nicht“, mit dieser Botschaft haben wir uns hier versammelt. Den 22. Juni 1941 können und wollen wir nicht vergessen. Ebenso wenig wie den 8. Mai 1945.
Mit dem Überfall des faschistischen Deutschlands auf die Sowjetunion wollte der deutsche Imperialismus ein schon mehrmals in der Geschichte angestrebtes Ziel verwirklichen. Die Vernichtung der UdSSR, die Ausbeutung ihres Rohstoff reichen Landes und die Unterjochung der Bevölkerung. Das Ergebnis kennen wir. Die Anti-Hitler-Koalition schlug die faschistischen Horden 1945 im Zentrum ihrer eigenen Macht. Den größten Anteil am Sieg hatte die Sowjetunion. Aber auch die meisten Opfer: 27 Millionen Tote, ein verwüstetes Land, verbrannte Erde. Die Völker des Riesenreiches, voran die Rote Armee, hatten durch heroischen Kampf den entscheidenden Beitrag zur Befreiung vom Faschismus auch des deutschen Volkes geleistet.
Aber noch vor Kriegsende schworen sich die imperialistischen Hauptmächte wieder gegen die Sowjetunion ein. Ich erinnere nur an Churchill,Truman und Dulles mit ihren antikommunistischen Bekenntnissen und Strategien. Dass der Kalte Krieg nicht zum heißen wurde, verdanken wir über Jahrzehnte einem starken sozialistischen Lager, besonders der Sowjetunion. Auch die konsequente Friedenspolitik der DDR trug dazu bei, während die BRD fast nahtlos wieder aufrüstete und offen die „Befreiung des bolschewistischen Ostens“ propagierte. Bei allen Friedensverträgen zwischen Ost und West, der internationale und deutsche Imperialismus hatte seine Ziele im Osten nie begraben.
1990 sahen sie ihre Chance gekommen. Wir haben dies am eigenen Leib verspürt. Und spüren es bis heute. Mit der Annektion der DDR und ihrer Kolonialisierung wähnte sich dieses vergrößerte Deutschland nach den USA nun als einer der führenden Staaten in Europa und der Welt.
Im Niedergang des sozialistischen Lagers sah der Imperialismus die reale Möglichkeit, unter veränderten Bedingungen nach dem Osten zu greifen. Die Sowjetunion und nach ihrer Auflösung deren ehemaligen Republiken standen nun erneut im Fokus der Begehrlichkeiten. Vor allem die Russische Föderation als Nachfolgestaat. Alle Dämme waren gebrochen. Und über Jahre unter Präsident Jelzin schien es auch so, als würde sich Russland den USA endgültig ausliefern. Mit Präsident Putin änderte sich dies. Das wieder erwachte Selbstbewusstsein Russlands und die Forderung nach Respektierung seiner Sicherheitsinteressen und nach gleichberechtigter Teilnahme am „Europäischen Haus“ passten nicht in die hegemoniale Politik der USA und anderer NATO-Staaten. Wiederholte Vorschläge Russlands wurden negiert, abgelehnt. Gleichzeitig schufen die Westmächte Tatsachen, die für Russland zunehmend eine Gefahr darstellten: die schrittweise Osterweiterung der NATO, die NATO-Übungen an Russlands Grenzen, die Einbindung bisheriger Staaten der SU in westliche Bündnisse und deren militärische Aufrüstung sowie Wirtschaftssanktionen. Offene Russophobie sollte das Feindbild Russland in der Bevölkerung verankern. Deutschland zeichnete sich dabei von besonderer Kreativität und Aggressivität aus.
Bei dieser konzertierten Russland feindlichen Politik spielte die Ukraine mit ihrer Geschichte, Lage, Größe, Bevölkerungszahl und Wirtschaftspotenz eine entscheidende Rolle. Von den Westmächten abhängig und gesteuert, betrieb sie mit Aufrüstung, Provokationen und Drohungen, Diskriminierung der russischen Bevölkerung, Tolerierung und Förderung von Faschisten zunehmend eine konfrontative Politik gegen Russland. Der wesentlich vom Westen initiierte Putsch von 2014 markierte eine neue Phase dieser Entwicklung. Die Entscheidung der Krimbevölkerung auf Zugehörigkeit zur Russischen Föderation und die Bildung zweier Donbassrepubliken waren das Ergebnis dieser feindseligen Politik. Mit einem Bürgerkrieg von über 13 000 Toten.
Offene Kriegsdrohungen – sogar unter Androhung atomarer Bewaffnung – und große Truppenkonzentrationen an den Grenzen Russlands spitzten die Situation derart zu, dass Russland am 24. Februar 2022 als einen Akt des Beistandes für die zwei Volksrepubliken und der präventiven Selbstverteidigung sich zu militärischen Maßnahmen veranlasst sah. Selbst westliche Politiker und Militärs kommen zum Ergebnis, dass dieser Krieg durch Beachtung russischer legitimer Sicherheitsinteressen und Umsetzung des Minsker Abkommens hätte verhindert werden können und müssen.
Seit mehr als ein Jahrhundert streben imperialistische Mächte nach Russland – natürlich aus Profitinteresse und zur Ausschaltung eines Rivalen. Der dritte Anlauf wird seit 30 Jahren strategisch geplant und systematisch vorbereitet. Ist es nicht nachvollziehbar, dass Russland nach schmerzhaften historischen Erfahrungen und angesichts akuter Bedrohung nicht ein weiteres Mal warten will, bis es zu spät ist? Ist es nicht erklärbar, dass Russland seine Rechte und Interessen mit allen Mitteln verteidigt – auch militärisch? Am 23. Februar, am Vortag der Militäroperation, betonte Putin in einer Rede unter Bezug auf den faschistischen Überfall 1941: „Worauf noch warten. … Ein zweites Mal werden wir diesen Fehler (des Abwartens HB) nicht begehen, wir dürfen es nicht tun.“
Für uns ist besonders schmerzhaft, dass das imperialistische Deutschland bei seiner verbrecherischen Vergangenheit in Feindschaft gegen Russland mit an der Spitze dieser Kriegspolitik steht. Und selbst Kriegspartei geworden ist. Dass deutsche Politiker weder Geschichts- noch Verantwortungsbewusstsein beweisen. Und nicht nach Wegen suchen, die Sicherheitsinteressen aller zu gewährleisten, den Krieg zu beenden, friedliche Beziehungen einzuleiten. Im Gegenteil! Die Regierung dieses Landes, voran Grüne und Sozialdemokraten, schüren die Feindschaft, koste es was es wolle. 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, militärische Unterstützung für die Ukraine mit 1,4 Milliarden Euro, Lieferung von Waffen und Rüstung zur Kriegsverlängerung für 350 Millionen Euro. In Deutschland Verarmung großer Teile der Bevölkerung und das Ruinieren der Wirtschaft. Und weitere Einschränkung demokratischer Rechte. Im Hass gegen Russland bis zum Verbot des würdigen Erinnerns an die Befreiung durch die Rote Armee. Wie wir es hier am 8. und 9. Mai erlebten. Das soll die viel gerühmte freiheitlich demokratische Grundordnung sein? Die nicht nur die Pressefreiheit einschränkt und die freie Meinungsäußerung unter Strafe stellt, sondern sogar angemessenes Erinnern verbieten will? Folgt nach dem Überwachungsstaat jetzt der offene Polizeistaat?
Nein, liebe Freunde, gegen diese Kriegspolitik nach innen und nach außen ist Widerstand geboten. Wir lassen uns unsere Erinnerung an die Verbrechen des deutschen Faschismus und an die Befreiungstat der Sowjetarmee nicht nehmen. Wir verneigen uns in Dankbarkeit vor den Opfern. Frieden und Freundschaft zwischen Deutschland und Russland sind und bleiben über Generationen hinweg eine unverrückbare Verpflichtung historischer Verantwortung Deutschlands. Und Voraussetzung für Frieden in Europa.