Raoul Wallenberg – schwedischer Diplomat und „Gerechter unter den Völkern“

Die FIR würdigt mit dem Newsletter den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der vor 110 Jahren geboren einen wichtigen Beitrag zur Rettung ungarischer Juden während des Holocaust im Zweiten Weltkrieg geleistet hat. Er starb nach bisheriger Quellenlage im Juli 1947.

Geboren am 4. August 1912 bei Stockholm arbeitete er nach seiner Ausbildung Ende der 1930er Jahre für die Central European Trading Company. Im Auftrag dieses jüdischen Unternehmens reiste er als Nicht-Jude auch in die von Nazideutschland besetzten oder mit ihm kollaborierenden Teile Europas. Als im Frühjahr 1944 Ungarn besetzt wurde, ging er aufgrund seiner guten Kontakte am 9. Juli 1944 als erster Sekretär der schwedischen Botschaft nach Budapest, um mit Unterstützung des US-amerikanischen War Refugee Board eine Gruppe von Budapester Juden zu retten. Die schwedische Regierung hatte 800 ungarische Juden mit Beziehungen zu Schweden aufgelistet, deren Aufnahme Schweden garantierte.

Wallenberg gab sogenannte schwedische Schutzpässe aus. Diese Dokumente identifizierten die Inhaber als schwedische Staatsbürger, die ihre sichere Repatriierung erwarteten. Obwohl die Papiere keine völkerrechtlich bindende Bedeutung hatten, wurden sie zumeist von ungarischen Behörden und deutschen Dienststellen anerkannt. In Vorbereitung der Ausreise brachte Wallenberg die Menschen in Schutzhäusern in der Nähe der Großen Synagoge in Budapest unter, die als „Schwedische Bibliothek“ oder „Schwedisches Forschungsinstitut“ mit schwedischen Flaggen gekennzeichnet wurden. In jedem Haus gab es eine Krankenstation, so bewahrte er viele vor dem Tod. Den Juden im Budapester Ghetto selber konnte Wallenberg nur durch Lieferung von Lebensmitteln helfen. Wie konsequent er war, zeigt folgende Episode:

Als Adolf Eichmann im November 1944 eine große Zahl von Juden auf Todesmärschen in Richtung deutsche Grenze treiben ließ, verteilte Wallenberg Essen und fragte nach Inhabern schwedischer Schutzpässe. Durch sein entschlossenes Auftreten und durch ein Abhaken auf imaginären Listen erweckte er den Eindruck, diese Menschen seien schwedische Staatsbürger. Auf diese Weise gelang es Wallenberg, etwa 200 der Deportierten nach Budapest zurückzubringen.

In den letzten Wochen vor der Befreiung Budapests durch die Rote Armee Mitte Februar 1945 ermordeten ungarische Pfeilkreuzler noch zwischen 10.000 und 20.000 Ghettobewohner. Etwa 70.000 Juden überlebten im Budapester Ghetto. Wallenberg soll im Kontakt mit der Wehrmacht einen wichtigen Beitrag dazu geleistet haben, dass das Ghetto nicht vernichtet wurde.

Nach der Befreiung Budapests durch die Rote Armee wollte sich Wallenberg weiterhin für die jüdische Menschen einsetzen, geriet aber aus bislang nicht endgültig geklärten Gründen unter Spionageverdacht in sowjetische Haft. Ob es Wallenbergs Kontakte zum amerikanischen War Refugee Board waren oder andere Vorwürfe, ist ungeklärt. Bezeichnenderweise verweigerte auch die US-Regierung jede Aussage darüber, ob Wallenberg als Spion gearbeitet habe.

Raoul Wallenberg, der sich als Retter der ungarischen Juden verdient gemacht hatte, geriet nun in die Mühlen des Kalten Krieges. Im Jahre 1945 wurde er zu Verhören nach Moskau verlegt, wo er nach Aussagen der sowjetischen Regierung am 17. Juli 1947 während eines Verhörs vermutlich einem Herzinfarkt erlegen sei. Angesichts vieler Unklarheiten der Todesumstände gibt es zahllose Spekulationen über seinen Tod und den Todeszeitpunkt, die jedoch weder durch Zeugen, noch durch Dokumente schlüssig belegt werden können. Am 6. Februar 1957 informierte der damalige Außenminister Gromyko in einer diplomatischen Note über den hier genannten Todeszeitpunkt und die Todesumstände.

Nach seinem Tod gab es zahlreiche Ehrung für Raoul Wallenberg, u. a. die höchste schwedische Auszeichnung (für Zivilpersonen) „Illis quorum meruere labores“ (1952) und von der Gedenkstätte Yad Vashem die Ehrung als „Gerechter unter den Völkern“ (1966). Die ungarische Hauptstadt Budapest ernannte ihn posthum zum Ehrenbürger.