Auch in der Krise nicht vom Kampf für soziale Gerechtigkeit abrücken

ZLV Zeitung vum Letzeburger Vollek
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Die weltweite Gesundheitskrise zeigte uns schonungslos die Mißstände unserer Gesellschaft. Sei es ein unterbezahlter Gesundheitssektor, der im Falle von Luxemburg auch noch hoffnungslos vom Ausland abhängig ist, die Abhängigkeit von »Märkten« bei der Beschaffung von Impfstoff oder wenn es um Gas- und Strompreise geht.

Was die Arbeit betrifft, fällt insbesondere die Trägheit oder besser Weigerung auf, modernere Methoden und Strukturen zuzulassen. Unsere Arbeitszeiten und die daraus resultierende alltägliche Banalisierung der Bedürfnisse des Individuums nach freier Entfaltung, ohne daß der Lohnerwerbszwang es völlig niederdrückt, sind völlig antiquiert und auch wenn immer wieder, mit Unterstützung neoliberaler Massenmedien dem einzelnen Beschäftigten suggeriert wird, Arbeitszeitverkürzung sei etwas schlechtes, haben viele bereits mitbekommen, daß es nicht weitergehen kann wie bisher.

Auch in Luxemburg ist die 40-Stundenwoche immer noch der letzte Stand. Während die technologische Entwicklung und damit die Produktivität drastisch gestiegen sind, blieb von diesem Fortschritt zu wenig übrig, wenn es um die Weiterentwicklung der Arbeitswelt ging. Das Selbstverständnis, selbst beim ärmsten Prekariat, daß der Zweck des Daseins fremdbestimmte Arbeit ist, um seine Familie ernähren zu können und eventuell noch mehr schlecht als recht an Konsumtrends teilzunehmen, ist heilig.

Dabei ist klar, daß die an sich schon überholte 40-Stundenwoche vielerorts nur noch auf dem Papier existiert. Flexibilisierung und Überstunden, insbesondere vor dem Hintergrund des Personalmangels in vielen Bereichen, sorgen dafür, daß wir wieder zu Arbeitszeiten zurückkehren, die sich mit denen vor dem letzten Weltkrieg messen lassen. Dabei sind Arbeitszeitverlängerungen eine Gefahr: Sie verschärfen soziale Ungleichheiten und beeinträchtigen Familien- und Privatleben erheblich. Auch das Ehrenamt leidet. Viele Sportvereine können ein Lied davon singen. Dies hat auch gesundheitliche Folgen beim Einzelnen zur Folge. Während die Unternehmen sich die Mehrprofite in die Taschen stecken, muß die Allgemeinheit die Kosten für den gesundheitlichen Preis bezahlen.

Die Diskussion einer Arbeitszeitverkürzung und eine Abkehr vom Präsentismus muß endlich auf höherer Flamme gekocht werden. Dabei muß nicht nur den Unternehmen und deren Vertretern in der Regierung klar gemacht werden, daß die Gesellschaft auf dem Spiel steht für kurz- bis mittelfristige Profite, sondern auch die Beschäftigten, die den Märchen von der leidenden Wettbewerbsfähigkeit immer noch Glauben schenken. Es ist mittlerweile dutzendfach wissenschaftlich belegt, daß kürzere Wochenarbeitszeiten und eine bessere »Work-Life-Balance« deutliche motiviertere Angestellte schafft.

Und solche Forderungen dürfen in der aktuellen hausgemachten Krise nicht unter den Tisch fallen. »Grad elo« gilt es, keinen Meter nachzugeben beim Kampf um sozialen Fortschritt. Die Patronatsseite kennt dafür ohnehin nie einen geeigneten Zeitpunkt.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek