Tripartite »ohne Tabus«

ZLV Zeitung vum Letzeburger Vollek
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Nachdem der Statec seine mittelfristige Inflationsprognose nochmals nach oben korrigieren mußte, beginnen am Sonntagnachmittag neuerliche Tripartiteverhandlungen zwischen der Regierung, dem Patronat und den drei national repräsentativen Gewerkschaften OGBL, LCGB und CGFP. Nach getrennten Vorbereitungsgesprächen mit Patronats- und Salariatsvertretern am Mittwoch erklärte Premier Xavier Bettel, bei den zunächst auf drei Tage angesetzten Dreiergesprächen dürfe es »keine Tabus« geben.

Die Vorgespräche seien konstruktiv gewesen, so Bettel, vor allem habe das nationale Statistikamt nun alle Seiten auf den gleichen Informationsstand gebracht. Im August habe die Inflationsrate in Luxemburg bei 6,8 Prozent gelegen, hatte der Statec erklärt, der Höhepunkt der Teuerung wurde mit 8,7 Prozent für den kommenden Januar voraussagt. Während im Gesamtjahr 2022 weiter von einer 6,6-prozentigen Inflation ausgegangen wird, mußten die amtlichen Statistiker ihre Inflationsprognose für das nächste Jahr von zuletzt 5,3 auf nun ebenfalls 6,6 Prozent anheben.

In diesem Szenario würde im November die nächste Indextranche erfallen und zwei weitere im nächsten Jahr (im März und im September). Im pessimistischsten Szenario mit 6,8 Prozent Inflation in diesem und 8,5 Prozent im nächsten Jahr, so der Premier am Mittwochabend vor der Presse, würden bis Ende 2023 noch fünf Indextranchen erfallen, im optimistischsten Szenario mit 6,4 Prozent Inflation in diesem und lediglich 4,4 Prozent im nächsten Jahr zwei Tranchen im Januar und im Juni.

Wobei die im Juni erfallene Indextranche gemäß der vom OGBL nicht mitgetragenen Indexmanipulation in diesem Frühjahr vom 1. Juli diesen auf den 1. April nächsten Jahres verschoben wurde. Diesen »Indexklau« beziffert der OGBL auf mindestens 720 Millionen Euro. Pro Monat betrage der Kaufkraftverlust für die Schaffenden und die Rentner 70 Millionen Euro. Die Gewerkschaft spricht deswegen von einer »Kaufkraftkrise« und besteht darauf, daß die nächste Indextranche wie im Gesetz vorgesehen im Folgemonat ausbezahlt wird.

Heute lebten wir »in einer anderen Welt als noch vor einem halben Jahr«, versuchte der Premier am Mittwochabend davon abzulenken, daß die Energiepreise und infolgedessen auch die Inflationsraten nicht wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine vor einem halben Jahr, sondern wegen der von den NATO- und EU-Staaten auf Geheiß Washingtons verhängten antirussischen Sanktionen explodiert sind. Jedenfalls scheint Bettel der Ansicht zu sein, das vom OGBL nicht mitgetragene Tripartiteabkommen vom März könne nicht einfach von der Herbst-Tripartite übernommen werden.

Bettel will »Triple-A« nicht gefährden

Am Donnerstagnachmittag hat der Regierungsrat die Position der an den Dreiergesprächen beteiligten Ministerinnen und Ministern festgelegt. Bis spätestens Anfang Oktober wünscht sich Bettel konkrete Beschlüsse. Zwar sei seine Regierung zu Soforthilfen des Staates an Privathaushalte und Betriebe bereit, es müsse aber unbedingt sichergestellt werden, daß Luxemburg seine Bestnote bei der Bonitätseinstufung durch die großen Ratingagenturen nicht verliere. Fitch Ratings hatte das Tripartiteabkommen von Ende März ausdrücklich begrüßt und ihre »Triple-A«-Einstufung unverändert gelassen. Jedoch bewerten die Wachhunde des Finanzkapitals nicht die soziale Lage der hier arbeitenden und lebenden Menschen, sondern ausschließlich die hiesigen Verwertungsbedingungen für das in- und ausländische Kapital.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek