Gedenken an Cemal Kemal Altun

Zum 40. Todestag von Cemal Kemal Altun, der angesichts seiner drohenden Auslieferung an die türkische Militärdiktatur in den Tod sprang, mahnt PRO ASYL, das individuelle Asylrecht zu verteidigen. Auch heute muss aufgrund der dortigen Repressionen ein Augenmerk auf die Fluchtbewegung aus der Türkei gelegt werden. Die Türkei gehört in diesem Jahr zu den drei Hauptherkunftsländern von Schutzsuchenden in Deutschland.

Vor 40 Jahren, am Morgen des 30. August 1983, stürzte sich Cemal Kemal Altun (13.04.1960 – 30.08.1983) aus Angst vor seiner drohenden Auslieferung in die Türkei aus dem 6. Stock des Verwaltungsgerichts in Berlin. Über ein Jahr verbrachte er zuvor in Auslieferungshaft. Altun war vor der türkischen Militärdiktatur, die bekannt dafür war, Regimekritiker*innen zu foltern, nach Deutschland geflohen. Nachdem er aus den Medien erfuhr, dass in der Türkei seine Person in Verbindung mit einem Mord gebracht und gesucht wurde, stellte er einen Asylantrag. Die damalige Bundesregierung nahm proaktiv Kontakt zu den türkischen Behörden auf und hielt selbst dann noch an der Auslieferung fest, als Altun durch die damalige Behörde als asylberechtigt anerkannt wurde.

„Cemal Kemal Altun wurde von der deutschen Politik in den Tod getrieben. Sein Tod zeigt die Bedeutung von Asyl als grundlegendes Menschenrecht und die Verantwortung demokratischer Staaten, niemanden an einen Verfolgerstaat auszuliefern. In Altuns Fall hatte sich die deutsche Politik als Handlanger eines diktatorischen Unrechtsstaats erwiesen. Das darf nie wieder passieren!,“ so Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Flucht aus der Türkei nimmt wieder zu

Auch heute fliehen wieder zunehmend Menschen aus der Türkei. Bis Juni 2023 stellten 19.208 türkische Staatsangehörige erstmals einen Asylerstantrag, mehr Anträge wurden nur von Schutzsuchenden aus Syrien und Afghanistan registriert. In den vergangenen 20 Jahren wurden unter der Regierung von Staatspräsident Erdoğan rechtsstaatliche Institutionen abgebaut, die Menschenrechtslage ist erodiert. Besonders nach der diesjährigen Wiederwahl Erdoğans haben viele Menschen in der Türkei jegliche Hoffnung auf baldige Verbesserungen verloren.

Systematisch nutzt die türkische Regierung den Justizapparat, um Oppositionelle, Kritiker*innen und Minderheiten zu verfolgen. Auch wenn das Rechtsstaatlichkeitsdefizit insbesondere bei politischen Verfahren unbestritten ist, werden in deutschen Asylverfahren nach Beobachtung von PRO ASYL dennoch Tatvorwürfe der türkischen Strafjustiz immer wieder unkritisch übernommen. Insbesondere aus der kurdischen Community wird PRO ASYL zudem regelmäßig auf Fälle aufmerksam gemacht, in denen zumindest zweifelhafte Abschiebeversuche unternommen werden. Besonders brisant war der Fall der kurdischen Aktivistin Nazdar Ecevit, deren Abschiebung 2021 in letzter Sekunde gestoppt und der in einem Folgeverfahren letztlich sogar Asyl zugesprochen wurde.

„Trotz der bekannten miserablen Menschenrechtslage wird politische Verfolgung in der Türkei vom Bundesamt und von Gerichten immer wieder verkannt. Die Konsequenz ist, dass gefährdete Menschen abgeschoben werden sollen. Dabei ist bekannt, dass Straf- und Terrorismusverfahren von der türkischen Regierungen gezielt dafür genutzt werden, unliebsame Personen zu verfolgen. Es braucht endlich ein Umdenken von Behörden und Gerichten,“ fordert Judith.

Informationen zur Gedenkveranstaltung am 30. August ab 18.30 Uhr in Berlin

PRO ASYL lädt gemeinsam mit einer Künstler*innen-Initiative zum Gedenken an Cemal Kemal Altun ein:

Gedenkveranstaltung
am 30.08. zwischen 18:30 und 20 Uhr
Landeszentrale für politische Bildung in Berlin

Weitere Informationen zur Veranstaltung sowie den Link zur Anmeldung finden Sie hier. Im Anschluss an die Veranstaltung werden beim Gedenkstein für Cemal Kemal Altun in der Hardenbergstraße 20 in Berlin/Charlottenburg Blumen niedergelegt.

 

Quelle: Pro Asyl