ver.di-Bundeskongress in Berlin eröffnet: Aktion von Friedensgruppen vor Auftakt

ver.di-Bundeskongress in Berlin. Foto: RedGlobe
ver.di-Bundeskongress in Berlin. Foto: RedGlobe

Unter dem Motto „Morgen braucht uns“ ist am Sonntagmittag in Berlin der 6. Bundeskongress der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) eröffnet worden. Bis zum kommenden Freitag (22. September 2023) diskutieren knapp 1000 Delegierte mehr als 900 Anträge zu Gewerkschafts-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik und wählen einen neuen Bundesvorstand. Der ver.di-Bundeskongress tagt alle vier Jahre, zuletzt 2019 in Leipzig.

Bundeskanzler Olaf Scholz bekräftigte in seiner Eröffnungsrede die große Bedeutung des Sozialstaats für Demokratie und eine solidarische Gesellschaft. Er stelle sich all jenen entgegen, die sagen, in diesen schwierigen Zeiten müsse der Sozialstaat zurückgefahren werden. „Das Gegenteil ist der Fall“, so Scholz. Gleichzeitig betonte der Bundeskanzler die Rolle von Tarifverträgen und der Tarifbindung: Sie seien ein stabiles Fundament unseres Landes. „Wir brauchen mehr Tarifverträge und nicht weniger.“ Scholz kritisierte die Entscheidung der Mindestlohnkommission, die im ersten Schritt eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns um nur 41 Cent auf 12,41 Euro beschlossen hatte. Unverständnis äußerte der Kanzler bezüglich der Forderung von Friedensaktivistinnen und -aktivisten, die Ukraine solle verhandeln, anstatt sich zu verteidigen. „Der russische Präsident Putin muss Truppen zurückziehen. Das ist die Grundlage für Verhandlungen“, sagte Scholz.

Friedenskundgebung vor Beginn des ver.di-Bundeskongresses in Berlin. Foto: RedGlobe

Friedenskundgebung vor Beginn des ver.di-Bundeskongresses in Berlin. Foto: RedGlobeEr reagierte damit offenbar auf den Protest von Friedensinitiativen, die vor dem Kongressgebäude auf Pläne der ver.di-Führung aufmerksam machten, durch einen Leitantrag die bisherigen friedenspolitischen Positionen der Gewerkschaft aufzuweichen. Eine dagegen gerichtete Online-Petition von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern war bis Sonntag mehr als 11.000 Mal unterzeichnet worden.

Die Initiative kommentierte den Auftakt des Kongresses auf ihrer Kampagnenseite: »Unterstützt von Kolleg:innen des Netzwerk für eine kämpferische ver.di, dem ver.di-Friedensnetzwerk, der IGM und der EVG konnten wir mit ca. 350 Kolleg:innen bei ihrer Anreise direkt ins Gespräch kommen. (…) Und als dann um kurz vor 13:00 der Bundeskanzler eintraf, da wurde er von ca. 100 Kolleg:innen vor dem Hotel Estrel lautstark und gebührend empfangen…: “Es gibt kein ruhiges Hinterland!”

Darüber hinaus gelang es ca. 100 Kolleg:innen trotz der Verbunkerung unseres Kongresses und dessen Abriegelung gegen die Basis als Hochsicherheitszone ihren Protest auch bei der Rede des Kriegskanzlers erkennbar zu machen. Wir weit es mittlerweile gekommen ist wird daran deutlich, dass im Livestream des Kongresses kein einziges Bild des Protestes zu sehen war… Geht`s noch?!

Gewerkschafter*innen protestieren während der Rede von Kanzler Scholz auf dem Bundeskongress. Foto: Sagt Nein! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden
Gewerkschafter*innen protestieren während der Rede von Kanzler Scholz auf dem Bundeskongress. Foto: Sagt Nein! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden

Neben vielen Dingen, die Herr Scholz erzählte, zu denen wir ihn beim Wort nehmen sollten (Tariftreue, menschenwürdiger Mindestlohn, Notwendigkeit starker Gewerkschaften, etc.) hat er dann zum Schluss seiner Rede – wie erwartbar – übelst vom Leder gezogen: Zynisch seien diejenigen, die sich angesichts des `russischen Angriffskrieges` der Lieferung von immer mehr und krasseren Waffen entgegenstellten. Eine `Grenzverschiebung mit militärischer Gewalt` dürfe es niemals wieder geben, da sonst jeder Maßstab fiele… Schon vergessen? Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg der NATO auf Jugoslawien 1999! Alles nur eine Frage danach, wer hier angreift…?! Wer noch Fragen zum Thema `Zynismus`hat, die/der möge präzise zuhören.«

Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke bekräftigte die Anforderungen an die Politik: In Deutschland sei die Schere zwischen arbeitender Armut und Privilegien für Erbschaften und großen Vermögen viel zu weit geöffnet. Die Steuern „für Reiche und Krisengewinner“ müssten angehoben werden. „Wir brauchen eine Politik, die soziale Ungleichheit beseitigt.“ Deshalb setze sich ver.di so nachdrücklich für Kindergrundsicherung, gleiche Bildungschancen von der Kita über die Ausbildung bis zur Hochschule ein. Die Gesellschaft brauche „Solidarität, Demokratie, Gerechtigkeit, Mitbestimmung“, dafür stehe ver.di, so Werneke.

Quelle: ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Petition “Sagt Nein!”