Luxemburg schiebt ab

Während die EU ihre Flüchtlingsabwehr immer mehr militarisiert, schiebt Luxemburg fleißig Menschen ab, deren Antrag auf Asyl negativ beschieden wurde. Wie Außenmini­ster Jean Asselborn am Montag auf einer Pressekonferenz erklärte, wurden seit Jahresbeginn bereits 585 abgelehnte Asylbewerber »repatriiert«, davon seinen 436 mehr oder weniger »freiwillig« gegangen, 149 seien zwangsweise abgeschoben worden. Von Januar bis August 2014 seien rund 200 Personen weniger abgeschoben worden, als es laut Asselborn 385 »freiwillige« und 73 »unfreiwillige« Retouren gab.

Weil Familien mit schulpflichtigen Kindern nicht mehr während des Schuljahres abgeschoben werden, wurde bis zu den großen Ferien gewartet, um dann zwischen dem 29. Juli und dem 19. August fünf Charterflüge auf den Balkan durchzuführen, mit denen 172 Erwachsene und 147 Kinder vor allem in das Kosovo und nach Albanien sowie nach Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Mazedonien abgeschoben werden sollten. Wie Asselborn ausführte, be­stiegen davon 36 Erwachsene mit insgesamt 29 Kindern das Flugzeug »freiwillig«, 42 Erwachsene mit zusammen 37 Kindern wurden zwangsabgeschoben, 70 Personen durften wegen einer Ausnahmeregelung vorerst bleiben, 59 (36 Erwachsene und 23 Kinder) sind »verschwunden« und 46 Personen konnten vorerst nicht abgeschoben werden, weil sie z.B. schwerkrank oder hochschwanger waren oder weil sie einen zweiten Asylantrag mit neuen Angaben gestellt haben.

Wie der Außenminister betonte, liegt die Zahl der Asylanträge in diesem Jahr lediglich 21 Prozent über der im Vorjahreszeitraum, während 2011 und 2012 deutlich mehr Anträge auf »protection internationale« in Luxemburg gestellt wurden. Die mit Abstand meisten Bewerber aus Europa kommen nach wie vor aus dem Kosovo. Vor dem Krieg in Syrien sind in diesem Jahr schon 102 Menschen ins Großherzogtum geflohen. Syrer würden »ganz schnell anerkannt«, versicherte Asselborn, der sich dafür ausgesprochen hat, Balkanländer, denen man den Status eines EU-Beitrittskandidaten zugestanden hat, als sogenannte sichere Herkunftsstaaten zu definieren – »wohlwissend, daß es in manchen dieser Länder Minderheiten gibt, die man spezifisch behandeln müßte«.

Bereits am Sonntagabend hatte die luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft die Innen- und Justizminister der Mitgliedstaaten für Mitte September zu einem Sondergipfel nach Brüssel eingeladen, um »über den ungebrochen großen Zuzug von Flüchtlingen« in die Festung Europa zu beraten. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs sei der »Migrationsdruck« nicht mehr so hoch gewesen wie heute, erklärte Asselborn gestern, primäres Ziel seien die Türkei, Griechenland und Italien, von wo aus die meisten Flüchtlinge allerdings versuchten, sich nach Deutschland, Schweden, in die Niederlande oder die Schweiz durchzuschlagen, wo die wirtschaftliche Situation derzeit besser und die Anerkennungsquoten höher seien.

Auf Nachfrage der Zeitung bedauerte der Minister, daß ein 17-jähriger Iraker am Wochenende bei der Erstürmung eines Flüchtlingsschiffs vor der griechischen Küste erschossen wurde. Ziel des Einsatzes, an dem sich auch die EU-Grenzschutzbehörde Frontex beteiligt hat, waren »mutmaßliche Schleuser« an Bord. Drei Personen wurden verhaftet. Der ebenfalls am Wochenende fertiggestellte 175 Kilometer lange Grenzzaun zwischen Ungarn und Serbien, der in einer zweiten Phase zu einer festen, fast vier Meter hohen Sperranlage ausgebaut werden soll, verstoße gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, erklärte Asselborn. Hingegen müsse er »akzeptieren, daß große und kleine EU-Staaten einen großen Unterschied zwischen Menschen, die vor Krieg in ihrer Heimat geflohen sind, und Wirtschaftsflüchtlingen machen«.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek / RedGlobe