Bekenntnis zum Kalten Krieg

Als nach der Rückwärtswende zum Kapitalismus in der Sowjetunion und den bisherigen sozialistischen Staaten Europas auch deren Militärbündnis, die Warschauer Vertragsorganisation, auch »Warschauer Pakt« genannt, zu existieren aufhörte, war allenthalben von einem »Ende des Kalten Krieges« die Rede. Befeuert wurde diese unhaltbare These von der abenteuerlichen Politik des damaligen Staatschefs der Sowjetunion Michail Gorbatschow, der heutzutage zuweilen noch für Interviews aus der Versenkung geholt wird, wenn westliche Medien mal wieder eine ehemals prominente Stimme gebrauchen können, um die tatsächlichen Errungenschaften des Sozialismus zu schmähen und de angebliche Überlegenheit des Kapitalismus zu feiern.

Daß der Kalte Krieg nicht dadurch beendet wurde, daß Herr Gorbatschow einseitig kapituliert hat, zeigt sich allein schon daran, daß das westliche Kriegsbündnis, die NATO, nicht nur nicht ebenfalls aufgelöst wurde, sondern seit den 90er Jahren ihre Mitgliedschaft aufgestockt und somit ihr Territorium beträchtlich erweitert hat. Zudem hat sich die Zielrichtung ihrer aggressiven Politik nicht geändert – sie wurde sogar noch verschärft. Die NATO hat ihre sämtlichen Mitgliedstaaten genötigt, die Budgets für Rüstung und Krieg in neue Höhen zu treiben, und ihr Generalsekretär hat erst vor wenigen Wochen stolz verkündet, daß auch weiterhin Jahr für Jahr mehr Steuermittel für diesen Zweck verpulvert werden.

Angesichts des ansteigenden Säbelrasselns in Richtung Rußland, des Ausbaus von Stützpunkten in unmittelbarer Nähe der russischen Grenzen, der stetigen Bemühungen, weitere Nachbarstaaten Rußlands nach dem Beispiel der Ukraine in die Bedrohung Rußlands einzubeziehen, um eine angebliche »Bedrohung durch Rußland« abzuwenden, kann wohl von einem Ende des Kalten Krieges keine Rede sein.

Hinzu kommt nun auch China, vor dessen Militärausgaben und Rüstungsanstrengungen in letzter Zeit in immer markanteren Reden und Zeitungsartikeln eindringlich gewarnt wird. Die NATO, die eigentlich ein Zusammenschluß für die Region Nordatlantik sein soll, wie ihr Name schon sagt, sorgt sich neuerdings um die Region des Südchinesischen Meeres, was sie nun wirklich nichts angeht. Statt sich der postulierten »Bedrohung« ernsthaft anzunehmen und mit den Regierungen, von denen man sich »bedroht« fühlt, ernsthafte Gespräche zum Abbau von militärischen Potentialen und somit von friedensgefährdenden Spannungen zu führen, heißt die Parole weiterhin »Aufrüstung und Konfrontation« .

Dieses Bekenntnis zum Kalten Krieg steht im Mittelpunkt der Konferenz, zu der sich heute die Außenminister der NATO-Länder per Video treffen. Nachdem Herr Macron aus Frankreich dem Kriegsbündnis vor einiger Zeit den »Hirntod« bescheinigt und Herr Trump aus den USA die Organisation als »obsolet« bezeichnet hatte, will man nun neue Schritte zur Stärkung der Militärunion unternehmen. Ungeachtet der internen Brüche etwa mit der Türkei sollen weitere Länder wie Österreich, Finnland und Schweden, aber auch Japan, Australien und Neuseeland mit vor den Karren gespannt werden. Und man ist hoch erfreut über die Aussichten, mit Joseph Biden demnächst wieder einen NATO-freundlichen Präsidenten im Weißen Haus zu wissen.

Statt der längst fälligen und dringend gebotenen Auflösung des Kriegspaktes steht nun eine »Initiative NATO 2030« auf der Tagesordnung. Wenn das kein Bekenntnis zum Kalten Krieg ist, was dann ?

Uli Brockmeyer

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – Unser Leitartikel : <br/>Bekenntnis zum Kalten Krieg