2. Dezember 2024

Berufsverbote: „Verfassungsschutz“ setzt Bespitzelung von Werner Siebler bis heute fort

Kurz vor dem 50. Jahrestag des Radikalenerlasses stellt der Inlandsgeheimdienst, der den irreführenden Namen „Verfassungsschutz“ trägt, klar, dass die Betroffenen weiterhin durch ihn verfolgt und bespitzelt werden.

Werner Siebler, DGB-Vorsitzender in Freiburg, hatte 1984 als Postbeamter Berufsverbot erhalten. Erst nach einer im November 1990 getroffenen Entscheidung des Freiburger Arbeitsgerichtes wurde er ab 1991 wieder von seinem früheren Dienstherrn beschäftigt. Seit Juli 2019 ist er im Ruhestand. Dennoch fährt der Inlandsgeheimdienst unbeirrt fort, Siebler geheimdienstlich zu überwachen, wie aus der Antwort auf ein Auskunftsersuchen hervorgeht.

Im Schreiben des  „Verfassungsschutzes“ erfährt Werner Siebler, dass er keinerlei Anspruch auf eine Auskunft zu den über ihn gespeicherten Daten habe. „Im Zuge des Ermessens“ teilt der Geheimdienst ihm aber großzügig 37 „Erkenntnisse“ mit, die er in den vergangenen zwanzig Jahren gesammelt hat – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass ihm eine Fülle weiterer Daten vorliege, die bis in das Jahr 1972 zurückreichten und seine Verwurzelung in der „linksextremistischen Szene“ belegen würden (ein Begriff, der damals noch gar nicht gebräuchlich war). Aufgeführt ist selbstverständlich nur eine kleine Auswahl „öffentlich zugänglicher“ Tatsachen, die dennoch ein bezeichnendes Licht auf die Arbeitsweise und das Weltbild der „Verfassungsschützer“ wirft.

Ein großer Teil der mitgeteilten „Erkenntnisse“ betrifft Sieblers gewerkschaftliches Engagement und seine Aktivitäten für die Aufarbeitung der Berufsverbote und die Rehabilitierung der Betroffenen. Vorgeworfen wird ihm etwa die Unterzeichnung einer Protesterklärung im Jahr 2007 gegen die Wiederbelebung der Berufsverbote im Fall des antifaschistisch aktiven Realschullehrers Michael Csaszkóczy – eine Maßnahme, die gerichtlich wenige Monate später vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim als grundrechtswidrig aufgehoben wurde. Konsequent wäre es, wenn der „Verfassungsschutz“ nun auch den VGH selbst als Beobachtungsobjekt führen würde.

Dass Siebler vorgeworfen wird, im September 2002 an einem „Bündnis gegen Rechts“, das sich gegen die NPD richtete und zu einer Demonstration gegen diese faschistische Partei aufrief, ist bezeichnend für den Verfassungsschutz. „Mit dabei bei dieser Demonstration waren auch Freiburgs damaliger OB Dieter Salomon und SC-Trainer Volker Finke sowie weitere 15.000 Freiburger Bürger:innen, da muss dann schon der VS seine schützende Hand über die Rechten halten“ empört sich Werner Siebler.

Gleich sechs Mal wird Werner Siebler im Zusammenhang mit Ferienlagern der Kinderorganisation „Rote Peperoni“ aufgeführt. Registriert werden ebenfalls die Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 60. Gründungstag der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes 2007 oder die Mobilisierung zum Ostermarsch im Jahr 2006.

Das mit den Berufsverboten verbundene Unrecht gehört nicht der Vergangenheit an, sondern wird auch heute noch tagtäglich fortgesetzt. Ziel solcher Überwachungsmaßnahmen ist weniger die Einschüchterung der Bespitzelten selbst und ganz gewiss nicht der Schutz irgendwelcher „Verfassungswerte“. Erkennbar geht es um die politische Diffamierung der Betroffenen, die Verunsicherung und Abschreckung ihres Umfelds und die Ächtung und Isolierung missliebiger linker Positionen.

Zum 50. Jahrestag der Verabschiedung des Radikalenerlasses fordern wir die Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen und die Aufarbeitung des damit verbundenen staatlichen Unrechts. Die geheimdienstliche Bespitzelung und Diffamierung kritischer linker Positionen muss endlich beendet werden.

Wir erteilen allen Bestrebungen, einen neuen „Radikalenerlass“ einzuführen, eine klare Absage – auch und gerade, wenn sie unter dem Vorwand einer grotesken Hufeisentheorie eine Gleichsetzung angeblichen „linken Extremismus“ mit faschistischen Machenschaften betreiben.

Dem sogenannten „Verfassungsschutz“, dessen tiefe Verstrickung ins faschistische Netzwerk nicht erst seit dem Auffliegen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ allgemein bekannt ist, muss endgültig die Möglichkeit und die Legitimation genommen werden, kritische Positionen als „verfassungsfeindlich“ zu diffamieren. Seine Auflösung als Geheimdienst ist überfällig!

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