»Der König ist tot, es lebe der König«

Sitzverteilung im griechischen Parlament. Grafik: SDAJ goes HellasEine Delegation der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) befindet sich derzeit auf einer Solidaritätsreise in Griechenland. Sie erlebten am vergangenen Sonntag die Parlamentswahlen in dem südeuropäischen Land, bei denen die bisherige Regierungskoalition bestätigt wurde. Auf ihrem Blog »SDAJ goes Hellas« veröffentlichten sie nun eine Analyse des Urnengangs, die wir nachstehend dokumentieren:

Zum zweiten Mal innerhalb dieses Jahres haben die Griechen ein neues Parlament gewählt. Geändert hat sich so gut wie nichts. Die sozialdemokratische SYRIZA hat mit über 35,5 Prozent  der Stimmen die Wahlen gewonnen, die konservative Nea Dimokratia liegt mit 28,1 Prozent  deutlich darunter. Die faschistische Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung) konnte mit 7 Prozent  ihr Ergebnis von 2012 wiederherstellen, nachdem sie in den Januarwahlen leicht Stimmen verloren hatte.

Ein weiteres Mal hat das Volk in Griechenland diejenigen Parteien ins Parlament gewählt, die es dort eher zertreten als vertreten werden. Die zweite Tsipras-Regierung (wie die erste aus SYRIZA und den nationalistischen »Unabhängigen Griechen«) wird das Memorandum, das die erste Tsipras-Regierung beschlossen hat, umsetzen. Die Reste des staatlichen Eigentums werden an das private Kapital verschleudert, die Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnen, der Jugendlichen, der RentnerInnen und Arbeitslosen werden verschärft werden. Die Gläubiger in der EU und im IWF haben mit der angeblichen »Linksregierung« zudem vereinbart, dass alle Gesetze zuerst ihnen vorgelegt werden müssen, bevor sie im Parlament verabschiedet werden. Im Grunde war es also von vornherein egal, ob Konservative oder pseudo-linke Sozialdemokraten die Wahlen gewinnen würden, denn ihre Politik hätte sich sowieso kaum unterschieden.

Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) als einzige Kraft des konsequenten Widerstands gegen die bestialische Politik der Massenverelendung konnte ihr Wahlergebnis vom Januar mit 5,6 Prozent  (im Januar 5,5 Prozent ) fast nicht verbessern (in absoluten Zahlen war es sogar eine Verschlechterung). Trotz unermüdlicher Anstrengungen der griechischen GenossInnen, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in Schulen, Unis, Verbänden und in der Familie mit den Menschen zu sprechen, Kämpfe und Solidarität zu organisieren, Klassenbewusstsein zu schaffen und über ihre politischen Vorschläge aufzuklären, haben die Parteien des Kapitals ein weiteres Mal die Oberhand behalten.

Die Enttäuschung über SYRIZA, die sich klar als Partei der Konzerne und Banken entlarvt hat, war allein nicht ausreichend, um das Massenbewusstsein zu radikalisieren und in eine klassenkämpferische Richtung zu bewegen. Zwar hat SYRIZA über 300.000 Stimmen verloren, allerdings ist das angesichts der Bilanz ihrer Regierung keine allzu große Zahl, außerdem sind diese WählerInnen größtenteils den Wahlen ferngeblieben oder zu anderen sozialdemokratischen Parteien abgewandert: der neuen Partei »Volkseinheit« und der wieder erstarkten PASOK.

Es zeigt sich ein weiteres Mal, dass nur der organisierte, langwierige Kampf einer Kommunistischen Partei, die sich mit einem revolutionären Programm innerhalb der Arbeiterklasse für die Sorgen und Probleme der Menschen einsetzt, auf lange Sicht Veränderungen der Bewusstseinslage erreichen kann.

Das ZK der KKE schätzt zum Wahlergebnis ein, es drücke eine »Fortsetzung des politischen Rückzugs, der passiven Erwartung und des wachsenden Konservatismus eines großen Teils des Volkes aus.«

Die KKE hat an der Basis in den vergangenen Jahren jedoch viele Voraussetzungen geschaffen, um die Schwächung der Arbeiter- und Widerstandsbewegung, die das System in den letzten Jahren insbesondere mithilfe der SYRIZA durchsetzen konnte, umzukehren. Es wäre aber auch naiv, zu glauben, dass sich innerhalb weniger Jahre das Bewusstsein von Menschen grundlegend ändern wird, die seit Jahrzehnten immer nur dieselben Parteien wählen (ND-PASOK, jetzt ND-SYRIZA) in der Hoffnung, dass dadurch eine Verbesserung ihrer persönlichen Lage für sie herausspringt. Zwar sind so gut wie alle Menschen enttäuscht und vertrauen den bürgerlichen Parteien (inklusive SYRIZA) nicht mehr über den Weg – nicht umsonst hatte die KKE von allen Parteien neben die größte Wahlkampfveranstaltung in Athen, während sowohl die alten Systemparteien als auch neue Formationen wie die Partei »Volkseinheit« nur ein paar Hundert Menschen auf die Straße mobilisieren konnten. Das bedeutet aber nicht, dass die Menschen deshalb mehrheitlich ihrer eigenen Kraft vertrauen und den Weg des Widerstands wählen würden. Bisher sind Resignation, Angst und Illusionen vorherrschend. Die KKE hat in ihrer Stellungnahme angekündigt, dass sie das in sie gesetzte Vertrauen der WählerInnen dafür nutzen wird, diese lähmende Niederlagenstimmung zu überwinden und »die Arbeiterbewegung, die Volksbewegung im Allgemeinen wieder aufzubauen und zu stärken«.

Aufgabe der KommunistInnen, aber auch anderer fortschrittlicher und linker Menschen in Deutschland ist es jetzt, die Solidarität mit den griechischen GenossInnen in dieser schwierigen Zeit zu verstärken und aus der fortgesetzten Katastrophe des griechischen Volkes die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Diejenigen Menschen, die selbst heute noch Hoffnungen in SYRIZA setzen, hängen gefährlichen Illusionen an, die zur weiteren Schwächung der Arbeiterbewegung beitragen werden. Diejenigen Organisationen, die die griechische Regierung im Namen der »Linken« unterstützen, fallen den klassenbewussten Teilen der griechischen Bevölkerung in den Rücken.

Quelle: SDAJ goes Hellas / RedGlobe