Hetze gegen Havanna

Situation in Kuba beruhigt sich wieder. Deutsche Medien versuchen, Proteste wieder anzuheizen. Von Volker Hermsdorf

Nach den Protesten in verschiedenen Ortschaften Kubas vom Sonntag hat sich die Lage zum Wochenbeginn offenbar im gesamten Land beruhigt. Die Tageszeitung Granma veröffentlichte am Montag nachmittag (Ortszeit) eine Fotoreportage mit zahlreichen Aufnahmen vom selben Tag aus Havanna, Pinar del Río, Cienfuegos, Camagüey, Sancti Spíritus, Holguín sowie den Provinzen Villa Clara und Granma, die ruhige Straßenszenen zeigen. Auch auf einem am Dienstag auf Youtube geposteten aktuellen Video wirkt die beliebte Einkaufsstraße Obispo in der Altstadt von Havanna wie immer. Probleme und Spannungen in den Straßen seien vor allem durch die Unmöglichkeit geprägt, wie alle Welt Handel zu treiben, zu kaufen und zu verkaufen, kommentierte Granma die Bilder – »nicht um Waffen zu erwerben, sondern Treibstoff, Lebensmittel, Toilettenartikel und Medikamente«. Ein Hinweis auf die auch unter US-Präsident Joseph Biden noch immer bestehende US-Blockade, die dem Gesundheitssystem des Landes nach Angaben von Außenminister Bruno Rodríguez zwischen April und Dezember 2020 Schäden in Hohe von knapp 200 Millionen US-Dollar (rund 189 Millionen Euro) zugefügt hat.

Während kubanische Politiker und Medien einen Hauptgrund für den Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten, der zu den Protesten am Wochenende geführt hatte, in der US-Blockade sehen, erklärte US-Außenminister Antony Blinken, es wäre ein »schwerer Fehler«, Washington dafür verantwortlich zu machen. Die Protestaktionen seien statt dessen einzig und allein auf das »Missmanagement« der kommunistischen Führung zurückzuführen, sagte Blinken. Auch sein Chef Joseph Biden stritt jede Einmischung der USA in Kuba ab und forderte »das Regime« auf, »in diesem entscheidenden Moment seinem Volk zuzuhören und auf seine Bedürfnisse einzugehen, anstatt sich selbst zu bereichern«.

Unterstützt wird Biden unter anderem von Brasiliens faschistischem Präsidenten Jair Bolsonaro, der seine »Solidarität« mit Demonstranten herausstellte, »die das Ende einer grausamen Diktatur fordern«. Brasilien hatte sich – als einziges Land neben Kolumbien und der Ukraine – der Stimme enthalten, als 184 Staaten am 23. Juni in der UN-Generalversammlung gegen die USA und Israel für eine Resolution Kubas zur Beendigung der Blockade votierten. Havannas Chefdiplomat Bruno Rodríguez hatte den Antrag mit der Feststellung begründet: »Wie das Coronavirus erstickt und tötet auch die Blockade Menschen in Kuba.«

Nachdem kubanische Medien am Dienstag ausführlich auf die Coronalage eingingen und die Bevölkerung angesichts steigender Infektionszahlen und einer Quote von bisher 27,2 Prozent Erst-, 22,9 Prozent Zweit- und 16,7 Prozent der dort notwendigen Drittimpfungen zur Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln aufforderten, versuchten ausländische Publikationen die Proteste wieder anzuheizen. So meldete tagesschau.de unter Berufung auf nicht näher bezeichnete »regierungskritische Portale«, dass »auch am Montag zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen waren, um zu demonstrieren«. Süddeutsche Zeitung und Tagesspiegel veröffentlichten online Fotos von einer Manifestation mit den Fahnen der revolutionären Bewegung des 26. Juli als Beleg für eine »Antiregierungsdemonstration«. Auch den Satz: »Die unabhängige Künstlerbewegung ›San Isidro‹ veröffentlichte eine Liste mit Dutzenden Namen von Personen, die in den vergangenen Tagen verhaftet oder als vermisst gemeldet wurden«, übernahm tagesschau.de wie auch andere ohne Prüfung des Wahrheitsgehalts, obwohl bekannt ist, dass die San-Isidro-Gruppe über Medien der Contras von der US-Regierung finanziert wird.

Nicht belegt wird die von zahlreichen Medien übernommene Meldung, »Amnesty International zufolge« habe es »wegen der Proteste mindestens 115 Festnahmen gegeben«, zudem seien Dutzende Menschen »willkürlich« in Gewahrsam genommen worden. Angesichts der zuvor von denselben Medien dokumentierten Plünderungen, Steinwürfen und Zerstörung von Polizeifahrzeugen und der aus anderen Ländern bekannten brutalen Vorgehensweise von Einsatzkräften bei geringeren Anlässen lässt eine solche Formulierung die Absicht dahinter erkennen.

Um den Desinformationen und einer geplanten Contra-Aktion entgegenzutreten, rufen Solidaritätsorganisationen für Mittwoch, den 14. Juli, ab 13.30 Uhr zu einer Solidaritätskundgebung vor der Botschaft der Republik Kuba in Berlin, Stavangerstraße 20, auf.

Aus: Tageszeitung junge Welt vom 14.07.2021 (Schwerpunkt)

Quelle: Unblock Cuba – Hetze gegen Havanna