Mindestlohn und Vermögenssteuer auf dem Sterbebett

Die Koalitionsunterhändler von SPD, Grünen und FDP trafen sich hinter verschlossenen Türen auf dem Berliner Messegelände 10 Stunden lang am Montag zu ersten „vertieften“ und „echten“ Sondierungen. Am Dienstag wurden die Gespräche in großer Runde fortgesetzt, am Mittwoch und Donnerstag sollen in „kleiner Runde“ die Generalsekretäre tagen. Freitags dann sollen die Zwischenergebnisse bekannt gegeben werden. Gegenüber der Hauptstadtpresse gab man sich betont ambitioniert. Robert Habeck (Bündnis 90/ Die Grünen) ließ verlauten „Scheitern ist eigentlich keine Option“, SPD-Vize Kevin Kühnert zeigte sich ebenfalls zufrieden mit dem Verlauf. „Es dringt nichts nach draußen. Das ist eine wichtige Grundlage, damit es zackig geht“ gab er im ARD-Morgenmagazin zum Besten. Störgeräusche aus dem Kreis der Jungsozialdemokraten blieben aus.

Nach der Selbstdemontage der CDU und dem damit einhergehenden Verlust der alternativen „Jamaika“-Option ist es auch bei der FDP ruhiger um ihre vormaligen „roten Linien“ geworden: Marco Buschmann, der Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, erwartet sich einen „Impuls nach vorne“, denn allen Beteiligten sei klar „Es geht um unser Land“. Bei der Suche nach einer „zukunftsweisenden Vision“ der Ampelkoalition – oder wie SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken twitterte „einer gemeinsamen Erzählung“ – tun sich die Unterhändler noch etwas schwer. Die SPD träumt von einem „sozial-ökologischen Gesellschaftsvertrag“, den Grünen schwebt eine „Klimaregierung“ vor, die FDP setzt auf auf eine Regierung als „fortschrittsfreundliches Zentrum“.

Absehbar wird am Schluss der Gespräche das herauskommen, was der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner im Verlauf der Woche als Thema der „Erzählung“ vorgeschlagen hat, eine Regierung der schlichten „Modernität“. Alt bekannt, denn das war schon in der Präambel des Groko-Koalitionsvertrags wortwörtlich so zu lesen. Die Finanzierung der von den Grünen und der FDP favorisierten „massiven Investitionen“ werden die zu tragen haben, die auch auch bisher zur Kasse gebeten wurden. Aus der erprobten grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg meldete sich bereits der grüne Finanzminister Danyal Bayaz, auch das „Projekt Vermögensteuer“ könne notfalls aufgegeben werden. Die von der SPD im Wahlkampf plakatierte Forderung „Jetzt zwölf Euro Mindestlohn wählen“ siecht ebenfalls auf dem Sterbebett. Hinter den Kulissen wird darüber gesprochen, diese Forderung zur Befriedung der FDP, der sogenannten „Mindestlohnkommission“ zu überantworten, die dann „schrittweise“ das Lohnniveau anheben soll. Wie diese „Erhöhungen“ von statten gehen, lässt sich an der Statistik ablesen: Seit 2015 stieg er von 8,50 auf jetzt 9,60 Euro, angesichts der aktuellen Inflationsrate von 4,1 Prozent also nicht der Rede wert.

Eine Wiederholung der monatelangen Hängepartie des Jahres 2017 will keiner der Beteiligten. Harmonisieren wird man sich über die Personalien. Habeck hatte bereits die Position des „Vizekanzlers“ für sich beansprucht. Die Besetzung der Finanz – und Wirtschaftsministerien werden Grüne und FDP unter sich ausmachen. Eilig hatte am Montag die noch amtierende Bundesumweltministerin Svenja Schulz bekundet „Klar würde ich gerne weitermachen“, wobei ihre Aussichten auf einen Chefposten angesichts des kommenden „Klimaministeriums“, das sich in der Hand der Grünen befinden wird, wohl eher bescheiden sind. Das letzte Wort hat Olaf Scholz. Der hatte sich nach der Aussage der Grünen-Sondiererin Katharina Fegebank bislang ohnehin als „Platzhirsch“ erwiesen.

Quelle: UZ – Unsere Zeit – Mindestlohn und Vermögenssteuer auf dem Sterbebett