6. Mai 2025
6. Mai 2025
Bundestagswahl 2025KPÖ

Was wir aus dem überraschenden Wahlsieg von Die Linke lernen können

Übernommen von KPÖ:

Die Bundestagswahl vom vergangenen Wochenende brachten aus linker Perspektive überraschende Ergebnisse mit sich. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), wie wohl in Umfragen in den letzten Monaten hoch gehandelt, verfehlte die 5% Hürde knapp. Die Partei Die Linke hingegen konnte mit 8,8% der gültigen Stimmen einen überraschenden Erfolg verbuchen. Im Folgenden eine kurze Einschätzung des Ergebnisses aus kommunistischer Sicht von Rainer Hackauf, Bundessprecher der KPÖ.

CDU/CSU (28,5%) haben am vergangenen Sonntag dazugewonnen, blieb allerdings weit unter den Erwartungen, wenn man die Performance der vergangenen Bundesregierung in Betracht zieht. Beteuerungen, etwa von Friedrich Merz, die AfD zu schwächen, sie sogar zu halbieren, blieben leere Versprechungen. Stattdessen wurden AFD-Positionen kurz vor der Wahl einfach übernommen. Die SPD (16,4%) hat das schlechteste Ergebnis seit 1945 bekommen und dies trotz Kanzlerbonus. Voraussichtlich wird die SPD trotzdem alles dafür tun, um in eine kommende Bundesregierung zu kommen. Die AFD (20,8%) blieb unter ihren eigenen Erwartungen und dies trotz der medialen Präsenz bzw. Werbung in vielen deutschen Medien der letzten Wochen und Monaten. Die Grünen (11,6%) sind die einzige Partei der vergangenen Ampelregierung, die ein vergleichsweise gutes Ergebnis bekommen haben, wenngleich mit Verlusten. FDP und BSW konnten die 5% Hürde in den Bundestag nicht überspringen. Zur weiteren Einschätzung der Ergebnisses aus linker Perspektive, der Verweis auf dieses Gespräch zwischen Ingar Solty und Pedram Shahyar.

Nachdem Die Linke bei den letzten Bundestagswahlen die 5% Hürde nicht überspringen konnte und seitdem eine Parteispaltung überstanden hat, konnte die Partei nun mit 8,8% ein erstaunliches Comeback feiern. Dieses Ergebnis ist besonders bemerkenswert, weil mit dem unerwarteten Wahlerfolg gezeigt wurde, was alles möglich ist – auch entgegen einer medial etablierten Stimmungslage -, wenn eine positive Eigendynamik entfacht werden kann. In Berlin konnte Die Linke damit sogar stimmenstärkste Partei werden. Im Folgenden eine nähere Betrachtung.

5 wesentliche Faktoren für den Wahlerfolg von Die Linke

1. Lähmende, parteiinterne Konflikte konnten in den letzten Monaten beendet werden. Einerseits durch den Austritt Sarah Wagenknechts und eines Teils der Bundestagsfraktion, wie auch von zahlreichen Mitgliedern in das neue BSW. Ein endgültiger Bruch war zwar aufgrund strategischer Fragen, vor allem aber persönlicher Zerwürfnisse schon lange absehbar, wurde jedoch über mehrere Jahre verschleppt. Zudem gibt es Dauerkonflikte, die linke Bewegungen seit Langem beschäftigen und spalten: Stichworte Nahost und Ukraine. Mit der Wahl eines neuen Vorsitzteams (Jan van Aken und Ines Schwerdtner) im Herbst des Vorjahres wurde in außenpolitischen Fragen wieder eine klare Linie von Die Linke sichtbar. Im KPÖ-Interview brachte Jan van Aken die Positionierung folgendermaßen auf den Punkt: “Es geht erst einmal um das Primat des Zivilen – Worte statt Waffen”. Die Lösung dieser bremsenden Konflikte hat in der Partei selbst eine positive Aufwärtsdynamik auslösen können und auch eine neue Beitrittswelle – von zuvor abwartenden linken Milieus – in Die Linke eingeläutet.

2. Sowohl die Linke-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek, wie auch das neue Vorsitzteam konnten in den letzten Monaten überzeugen. Während van Aken und Schwerdtner u.a. einen Fokus auf das Thema Wohnen und leistbare Mieten setzten, konnte Reichinnek mit ihrer Wutrede gegen die rassistische Anbiederung von CDU/CSU im Bundestag an die AFD weit über die eigenen Wähler:innen hinaus Punkten. Die Linke wurde so für viele Menschen zur einzigen wählbaren Alternative gegen Rechts. Zudem hat die Ankündigung u.a. der neuen Parteispitze, den Großteil des Einkommens zugunsten eines Sozialfonds abzugeben, die eigene Glaubwürdigkeit gestärkt und einen Neustart signalisiert.

3. In den letzten Monaten hat Die Linke ihren Social Media Auftritt neu aufgestellt. Während die Partei in herkömmlichen Medien für tot erklärt wurde, hat Die Linke verstärkt darauf gesetzt, direkte Kommunikationskanäle für u.a. jüngere Zielgruppen auf- und auszubauen. Laut Wahlbericht von Moritz Warnke für die RLS (Bundestagswahl 2025 – Wahlnachtbericht und erste Deutungen zum “Comeback des Jahres”) hat dies beeindruckend gut geklappt. Die Linke hat in den letzten Wochen teils beachtliche Reichweiten – in Millionenhöhe – auf Instagram und Tiktok erreichen können. Dies ist sicher ein wesentlicher Faktor dafür, dass die Partei unter Jungwähler:innen den ersten Platz (25%) erreichen konnte. Es ist aber auch ein guter Indikator dafür, dass die eigene Parteibasis motiviert werden konnte, Inhalte zu teilen. Nicht vergessen werden darf dabei, dass es in Deutschland – im Gegensatz zu Österreich – eine linke Presselandschaft gibt, die über Social Media hinaus linke Milieus erreicht. Auch in linken Medien war die Partei in den letzten Monaten mit ihren Inhalten und Positionierungen präsent. TV-Auftritte wurden zudem gut genutzt.

4. Im letzten Jahr konnte Die Linke sich als Bewegungsakteurin positionieren, indem sie die Mobilisierungen “gegen Rechts” bzw. gegen die AFD seit Anfang 2024 maßgeblich unterstützt hat. Sei es als Partei oder auch in Form von Mitgliedern, die sich an Bündnissen aktiv beteiligt haben. Das Konzept einer verbindenden Partei konnte so mit Leben gefüllt werden. Und zwar für all die Menschen, die sich an den Protesten beteiligt haben, wie auch diejenigen, die von faschistischen Angriffen im Alltag besonders betroffen sind. Soziale Positionierungen wurden nicht gegen eine antifaschistische Positionierung ausgespielt, sondern gingen Hand in Hand.

5. Haustürgespräche haben die Partei transformiert. Die Linke hat im Zuge des letzten Jahres ihre schon länger entwickelten Ansätze des Parteiaufbaus, wie auch des solidarischen Handelns, neu aufgestellt. Unter dem Slogan “Die Linke hilft!” wurden in den letzten Monaten praktische Unterstützungsangebote rund um das Thema Mieten (Mietwucher RechnerHeizkostencheck) bundesweit bekannt gemacht und lokale solidarische Initiativen vor Ort auf- oder ausgebaut. Im Zuge von systematischen Haustürgesprächen – der Schlüsselfaktor für die Veränderung der Partei und in Folge des Wahlerfolgs – konnte somit die praktische Nützlichkeit der Partei für Menschen unter Beweis gestellt werden, die zuvor vielleicht mit Politik nicht viel am Hut hatten oder von anderen Parteien frustriert sind. Zudem waren die Haustürgespräche ein konkretes Angebot, in der Partei gemeinsam mit anderen aktiv zu werden. Nam Duy Nguyen, Ferat Koçak konnten so bei Landtags- wie auch der Bundestagswahl eine große Anzahl an Unterstützer:innen mobilisieren und Direktmandate holen.

Gegenseitig voneinander lernen: Die Linke und die KPÖ

In den letzten Jahren gab es auf unterschiedlichen Ebenen einen intensiven Austausch zwischen KPÖ und der Partei Die Linke. So waren KPÖ-Sprecher:innen mehrfach in Deutschland zu Gast, wie auch Aktive und Mandatar:innen der Linkspartei in Österreich zu Besuch waren, um wechselseitig voneinander zu lernen. Zu dem neuen Interesse an einem Austausch haben sicher die Wahlerfolge der KPÖ in Graz, Salzburg wie auch Innsbruck wesentlich mit beigetragen. Besonders Aspekte wie unser Fokus auf das Thema leistbares Wohnen, unsere Sprechstunden und Unterstützungsangebote für Menschen in Notlagen, aber auch die Einkommensgrenze für Mandatar:innen der KPÖ zugunsten von Sozialfonds sind dabei immer wieder auf großes Interesse gestoßen. Und haben mittlerweile auch in vielen Bereichen Einzug bei Die Linke gefunden.

Auf der anderen Seite haben wir in der KPÖ viele Anstöße in Bezug auf das systematische Ansprechen von Wähler:innen durch Haustür-Gespräche oder Aktivierung der Mitgliederbasis durch Organizing aufgreifen können. Eine Entwicklung, die in der Partei Die Linken schon vor gut 10 Jahren – unter den Vorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping – eingeleitet wurde. Diese haben mit ihrem weiterhin lesenswerten Vorschlag zur Parteientwicklung unter dem Titel “Verankern, verbreiten, verbinden: Projekt Parteientwicklung. Eine strategische Orientierung für DIE LINKE” 2013 die strategische (Fokus auf Klassenpolitik) wie auch organisatorische Neuaufstellung (organische Verankerung vor Ort durch Organizing) der Partei wesentlich mit angestoßen. Die darin enthaltenen Vorschläge und deren Konsequenzen für den Parteiaufbau waren in den letzten Jahren in der Partei durchaus stark umstritten, konnten nun aber in Folge des Austritts von Wagenknecht & Co nunmehr ohne die bisher üblichen Widerstände in Angriff genommen werden.

Wie es in der Partei Die Linke nach der “größte Organizing-Kampagne der Parteigeschicht” mit dem Parteiaufbau nun weitergehen kann, skizzieren die Vorsitzenden Jan van Aken und Ines Schwerdtner in einem aktuellen Beitrag unter dem Titel “Das Comeback der Linken” in 10 Punkten.

“Learnings” für die weitere Entwicklung der KPÖ

Auf dem letzten Parteitag der KPÖ im Juni 2021 wurde eine Orientierung auf gemeinsames, solidarisches Handeln mit Perspektive des Parteiaufbaus verabschiedet. Dies wurde seitdem in ersten Schritten auch umgesetzt, wenngleich es hier eine Weiterentwicklung in praktischen Initiativen vor allem auch dort braucht, wo wir bisher nicht oder nur schwach vertreten sind. Die Linke hat in den letzten Monaten dafür das Label “Die Linke hilft” geschaffen, um ihre Bemühungen dahingehend auch griffig zu präsentieren und zu verbreiten. Etwas, von dem wir in jedem Fall lernen können.

Auf unserem Parteitag wurde – in direkte Anlehnung an die deutsche Schwesterpartei – ein Fokus auf Aktivierung und Einbindung von Mitgliedern durch Organizing (Haustürgespräche, direkte Ansprache) beschlossen (KPÖ als verbindende Partei und aktive Mitgliederpartei durch Organizing). Mit unserer Kampagne SOS Miete, wie auch Initiativen von Junge Linke (SOKO Miete) oder in lokalen Kontexten (Salzburg) gab es erste Schritte in diese Richtung. Wenngleich es weiterhin mehr oder weniger begründete Vorbehalte dagegen in Teilen der KPÖ gibt (Interview: Haustürgespräche und solidarische Projekte in Verbindung bringen). Gerade die Dynamik der Haustür-Wahlkämpfe der vergangenen Monate von Die Linke kann für uns auch einen Weg zur Transformation unserer Partei aufzeigen, den wir konsequent weiter beschreiten müssen.

Die Linke bzw. deren Mitglieder haben sich in den letzten Monaten auch verstärkt als Bündnispartner:innen für Bewegungen im Sinne einer verbindenden Partei in Bewegung positioniert. Bündnisfähigkeit, die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Proteste gegen Rechts sind eben kein “entweder oder” zum Parteiaufbau, sondern müssen auch bei uns Hand in Hand gehen.

Zu Guter Letzt hat sich wieder einmal gezeigt, dass ein geschlossenes Auftreten ein wesentlicher Schlüsselfaktor ist. Die Partei Die Linke war lange von internen Zerwürfnissen gebeutelt, rund um den Streit mit Sarah Wagenknecht und ihren Anhänger:innen aber auch unklaren Positionierungen in Friedensfragen. Das Programm, mit dem die aktuellen Bundessprecher:innen der KPÖ am letzten Parteitag angetreten sind, hat wesentlich beinhaltet, auch in der KPÖ innerparteiliche Streitigkeiten zugunsten eines gemeinsamen Handelns (Was tun!) zu beenden, um gemeinsam den Parteiaufbau wie auch die Erneuerung der KPÖ in Angriff zu nehmen. Unsere Wahlerfolge wie auch die Mitgliederentwicklung in den letzten Jahren sind Ergebnisse u.a. davon. Wie schon in der Einschätzung der Ergebnisse der Nationalratswahl im September des Vorjahres festgehalten, wird u.a. das Ergebnis der Wienwahl stark davon abhängen, ob auch in Wien dieser Weg beschritten wird. Zuletzt gab es hier Schritte in die gegenteilige Richtung. Die jüngsten Erfolge unserer Schwesterpartei in Deutschland sollten uns jedoch anspornen und ermutigen.27

Quelle: KPÖ