26. Juli 2025

26. Juli 2025
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Xi Jinping: Aus der Geschichte lernen, um eine bessere Zukunft zu erbauen

Übernommen von Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek:

(Diesen Artikel hat Xi Jinping vor Beginn seiner Reise nach Rußland für russische Medien geschrieben. Er wurde von Wolfram Adolphi übersetzt und leicht gekürzt.)

Das Jahr 2025 markiert den 80. Jahrestag des Sieges im Widerstandskrieg des chinesischen Volkes gegen die japanische Aggression, im Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion und im Antifaschistischen Weltkrieg. Es markiert außerdem den 80. Jahrestag der Gründung der Organisation der Vereinten Nationen (UNO). In diesen Tagen, da »die Apfel- und Birnbäume blühen«, werde ich zu einem Staatsbesuch nach Moskau reisen und, indem ich gemeinsam mit dem heroischen russischen Volk der Geschichte und der gefallenen Helden gedenke, an den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion teilnehmen.

Im Antifaschistischen Weltkrieg kämpften das chinesische und das russische Volk Schulter an Schulter und unterstützten sich gegenseitig. In den dunkelsten Stunden des Widerstandskrieges des chinesischen Volkes gegen die japanische Aggression kam eine Gruppe sowjetischer Freiwilliger, die Teil der sowjetischen Luftstreitkräfte war, nach Nanjing, Wuhan und Chongqing, um gemeinsam mit dem chinesischen Volk die japanischen Invasoren in Luftkämpfe zu verwickeln; viele von ihnen opferten ihr kostbares Leben. In der kritischen Phase des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion versorgte Yan Baohang – ein legendärer Geheimagent der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), der auch als »Richard Sorge des Fernen Ostens« bezeichnet wurde – die Sowjetunion mit Geheimdokumenten aus erster Hand. Im Schmelztiegel der Kriegsjahre stellte die Sowjetunion China große Mengen an Waffen und Ausrüstung zur Verfügung. China seinerseits lieferte dringend gebrauchte strategische Waren in die Sowjetunion. Die beiden Länder installierten eine Transportroute über die tückische Wüste Gobi hinweg. Das war eine internationale Lebenslinie, von größter Bedeutung für die gegenseitige Unterstützung im Kampf gegen die Faschisten. Die starke Kameradschaft zwischen unseren beiden Nationen, geschmiedet in Blut und Opfern, wallt unaufhaltsam vorwärts, mächtig wie der Gelbe Fluß und die Wolga. Sie ist ein ewiger Quell für unsere immerwährende Freundschaft.

Vor 80 Jahren vereinten sich die Kräfte der Gerechtigkeit der ganzen Welt, China und die Sowjetunion eingeschlossen, in mutigen Kämpfen gegen ihre gemeinsamen Feinde und besiegten die anmaßenden faschistischen Mächte. Heute, 80 Jahre später, unterminieren Unilateralismus, Hegemonismus, Terrorismus und Zwangspraktiken sehr ernsthaft unsre Welt. Wieder steht die Menschheit an einem Scheidepunkt: Einheit oder Teilung, Dialog oder Konfrontation, Win-Win-Kooperation oder Nullsummenspiele. In seinem »Krieg und Frieden« schrieb der große Dichter Lew Tolstoi: »Geschichte ist das Leben der Nationen und der Menschlichkeit«. Und wirklich: das historische Gedächtnis und die Wahrheit werden mit dem Vergehen der Zeit nicht verschwinden. Sie dienen als Inspirationen, die die Gegenwart spiegeln und die Zukunft erleuchten. Wir müssen aus der Geschichte lernen, und insbesondere die harten Lektionen des Zweiten Weltkriegs. Wir müssen Weisheit und Stärke aus dem großen Sieg des Antifaschistischen Weltkriegs gewinnen und allen Formen des Hegemonismus und der Machtpolitik Widerstand entgegensetzen. Wir müssen zusammenarbeiten, um der Menschheit eine bessere Zukunft zu gewinnen.

Wir müssen eine korrekte Sicht auf den Zweiten Weltkrieg bewahren. China und die Sowjetunion waren die Hauptschauplätze dieses Krieges in Europa und Asien. Beide Länder waren die Hauptpfeiler des Widerstandes gegen den japanischen Militarismus und den deutschen Nazismus, leisteten den entscheidenden Beitrag zum Sieg im Antifaschistischen Weltkrieg. Der Widerstandskrieg des chinesischen Volkes gegen die japanische Aggression begann am frühsten und dauerte am längsten. Unter dem Banner der Einheitsfront gegen die japanische Aggression, geschaffen durch die KPCh, wagte das chinesische Volk einen unnachgiebigen Kampf gegen die brutalen japanischen Militaristen und besiegte sie. Unter unermeßlichen Opfern schrieb es das unsterbliche Epos heroischen Widerstands und des schließlichen Sieges über die japanische Aggression. Auf dem europäischen Kriegsschauplatz rückte die sowjetische Rote Armee wie eine stählerne Flut mit Kraft und Heldenmut vor, zerschlug Nazideutschlands Ambitionen und befreite Millionen von brutaler Okkupation und schrieb ihrerseits das Epos des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion.

Die Geschichte lehrt uns, daß das Licht immer über die Dunkelheit siegen und die Gerechtigkeit über das Böse triumphieren wird. Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg und das Internationale Militärtribunal für den Fernen Osten verurteilten die angeklagten Kriegsverbrecher zu ewiger Ehrlosigkeit. Die Gerechtigkeit und die Integrität dieser beiden bedeutenden Gerichtsverfahren, ihre historische Bedeutung und ihre Bedeutung für die Gegenwart stehen außer Zweifel. Jeder Versuch, die historische Wahrheit des Zweiten Weltkriegs zu zerstören, sein Ergebnis zu verfälschen oder den historischen Beitrag Chinas und der Sowjetunion zu verleumden, ist zum Scheitern verurteilt. Keine unserer beiden Nationen wird irgendeinen Akt des Zurückdrehens des Verlaufes der Geschichte tolerieren – und auch die Völker der Welt werden das nicht tun.

Wir müssen entschlossen die internationale Nachkriegsordnung bewahren. Die bedeutendste Entscheidung der internationalen Gemeinschaft zum Ende des Zweiten Weltkriegs war die Unterzeichnung der UNO-Charta. Unsere Ständige Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat ist ein Resultat der Geschichte, geworden aus Blut und Opfern. Je turbulenter und komplexer die internationale Lage sich entwickelt, umso mehr müssen wir die Autorität der UNO stärken, müssen wir das auf die UNO konzentrierte internationale System bewahren, die internationale Ordnung, die sich auf das Völkerrecht stützt, und die grundlegenden Normen der internationalen Beziehungen auf der Grundlage der Ziele und Prinzipien der UNO-Charta, und wir müssen beständig an der Entwicklung einer auf Gleichheit und Ordnung basierenden multipolaren Welt arbeiten und einer universell vorteilhaften und inklusiven ökonomischen Zusammenarbeit.

Das Jahr 2025 markiert auch den 80. Jahrestag der Wiedereingliederung Taiwans. Die Wiedereingliederung Taiwans ist ein siegreiches Resultat des Zweiten Weltkriegs und ein integraler Bestandteil der internationalen Nachkriegsordnung. Eine Serie von Vereinbarungen von völkerrechtlicher Bedeutung, darunter die Kairo-Deklaration und das Potsdamer Abkommen, hat Chinas Souveränität über Taiwan bestätigt. Das steht außer allem Zweifel. Auch die Resolution 2758 der UNO-Vollversammlung duldet keinen Zweifel. Egal, wie sich die Situation auf der Insel Taiwan entwickelt oder welche Unruhe ausländische Kräfte auslösen werden, der historische Trend zu Chinas endgültiger und unvermeidlicher Wiedervereinigung ist nicht zu stoppen.

Wir müssen die internationale Fairness und Gerechtigkeit entschlossen verteidigen. Gegenwärtig verstärken sich die globalen Defizite an Frieden, Entwicklung, Sicherheit und Governance mit unverminderter Geschwindigkeit. Um diese Defizite zu überwinden, habe ich vorgeschlagen, eine Gemeinschaft mit gemeinsamer Zukunft der Menschheit zu bilden und eine globale Entwicklungsinitiative, eine globale Sicherheitsinitiative sowie eine globale Zivilisationsinitiative zu schaffen, um auf diese Weise das System der globalen Regierung gerechter und fairer zu machen.

Die Welt braucht Gerechtigkeit, nicht Hegemonismus. Geschichte und Realität zeigen, daß, um den globalen Herausforderungen gerecht werden zu können, es wichtig ist, die Vision eines globalen Regierens durch extensive Konsultation und gemeinsame Beiträge zum gemeinsamen Nutzen aufrecht zu erhalten. Es ist wichtig, Dialog über Konfrontation zu stellen, Partnerschaft über Bündnisse, Win-win-Kooperation über Nullsummenspiele. Es ist gleichermaßen wichtig, wirklichen Multilateralismus zu praktizieren, die legitimen Interessen aller Seiten in Betracht zu ziehen und internationale Normen und Regeln einzuhalten. Wir sind fest davon überzeugt, daß die Völker der Welt auf der richtigen Seite der Geschichte und auf der Seite von Fairness und Gerechtigkeit stehen.

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Rußland und China verabschieden gemeinsame strategische Dokumente

Fast 30 Staats- und Regierungschefs begrüßte Rußlands Präsident Wladimir Putin aus Anlaß der Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Sieges über den Faschismus in Moskau. Seine Gäste repräsentierten vor allem Länder des globalen Südens, darunter ein Schwergewicht wie Brasilien mit Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Der wichtigste Gast war Chinas Staatspräsident Xi Jinping, der am 7. Mai zu einem viertägigen Staatsbesuch anreiste. Putin und Xi unterzeichneten am 8. Mai 28 Dokumente zu den bilateralen Beziehungen sowie zwei Papiere grundsätzlichen Charakters: Zum einen eine »Gemeinsame Erklärung aus Anlaß des 80. Jahrestages des Sieges der Sowjetunion im Großen Vaterländischen Krieg, des Sieges des chinesischen Volkes im Krieg gegen den japanischen Aggressor und der Gründung der Organisation der Vereinten Nationen« sowie eine »Gemeinsame Erklärung zur globalen strategischen Stabilität«.

Im ersten Dokument bekräftigen beide Seiten, daß sie »alle Anstrengungen unternehmen, um den zunehmenden Versuchen entgegenzuwirken«, die Ideologie des Nazismus und der rassischen Überlegenheit »zu rehabilitieren«. Sie bekämpften weiter die wachsende »Rassendiskriminierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und damit verbundener Intoleranz«. Die vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg und vom Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten entwickelten Grundsätze müßten »respektiert und geschützt« werden. Die russische Seite betonte in diesem Zusammenhang, daß die im Urteil von Nürnberg festgestellten Tatsachen der Vertreibung und Vernichtung der Zivilbevölkerung der UdSSR »als Völkermord an den Völkern der Sowjetunion angesehen werden müssen«. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Xi hielt Putin zudem fest, die Sowjetunion habe 27 Millionen Menschenleben verloren, China 37 Millionen. Er hob hervor, dessen Sieg sei »unter der Führung der Kommunistischen Partei errungen« worden.

Im Dokument über globale Stabilität warnen beide Staaten vor allem vor Versuchen, die Beziehungen zwischen den Atomwaffenmächten zu untergraben. Wörtlich heißt es: »Beide Seiten stellen mit Besorgnis fest, daß sich vor dem Hintergrund der Verschärfung der Beziehungen zwischen den Atomwaffenstaaten, die in einigen Fällen bis zur Drohung eines direkten militärischen Zusammenstoßes eskaliert ist, eine kritische Masse an Problemen und Herausforderungen im strategischen Bereich angehäuft hat und das Risiko eines Atomkonflikts gestiegen ist.« Eines der dringendsten strategischen Risiken sei die »höchst destabilisierende Ausweitung bestehender und neu gebildeter Militärbündnisse und -koalitionen« an die Grenzen anderer Atomwaffenmächte. Besonders kritisch sehen beide Seiten Schritte, »bodengestützte Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen mit kurzer Flugzeit zu einer Vielzahl von Zielen auf dem Territorium anderer Kernwaffenstaaten zu stationieren«. Gleichzeitig werde die Entwicklung von Langstreckenraketensystemen beschleunigt. China und Rußland »verurteilen derartige provokative Aktivitäten, die die regionale Stabilität und die globale Sicherheit untergraben, auf das Schärfste«. Gleiches gelte für das kürzlich von den USA angekündigte Raketenabwehrsystem »Golden (Iron) Dome« sowie für Konzepte der »nuklearen Teilhabe« und für die Militarisierung des Weltraums. Beide Staaten erinnern an die Erklärung von fünf Atomwaffenstaaten vom 3. Januar 2022, wonach ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und nie ausgetragen werden darf.

Rußland und China zogen zugleich eine positive Bilanz ihrer wirtschaftlichen Beziehungen: Der Handelsumfang wuchs demnach 2024 um neun Prozent und erreichte mit 245 Milliarden US-Dollar einen neuen Rekord. Putin hob hervor, daß dabei nahezu alle Transaktionen in Rubel oder Yuan stattfinden. Die Gaspipeline »Kraft Sibiriens« habe mit 31 Milliarden Kubikmetern ihre volle Kapazität erreicht, ab 2027 werde Rußland seine Exporte mit der »Fernost-Gaspipeline« um weitere zehn Milliarden Kubikmeter steigern. Ende März sei in Dubna bei Moskau der mit chinesischer Unterstützung gebaute Teilchenbeschleuniger »Nika« in Betrieb gegangen, beide Staaten bauten wichtige Eisenbahnstrecken aus, 1,6 Millionen russische und 1,2 Millionen chinesische Touristen hätten das jeweils andere Land 2024 besucht.

Arnold Schölzel

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek