»Menschen, keine Feinde!« Österreichs Linke kritisiert Grenzschließung
Nach Deutschland hat auch Österreich am Montag wieder Grenzkontrollen eingeführt. Die teilweise Schließung der Übergänge zu den Nachbarländern stösst in der Alpenrepublik auf Widerspruch. So erklärt die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) in einer Pressemitteilung mit Blick auf Einstellung des Bahnverkehrs zwischen Österreich und Deutschland in der Nacht zum Montag, diese habe »einen neuen Tiefpunkt in der aktuellen Flüchtlingskrise« dargestellt. »Es ist eine Schande, dass für die Steuerhinterziehung der Superreichen der Weg in Offshore-Zentren und andere Steueroasen nach wie vor sperrangelweit offen ist, während für Flüchtende in Notsituationen die Grenzen dicht gemacht werden,« erklärte die stellvertretende Bundessprecherin der KPÖ, Melina Klaus. Sie fordert von der österreichischen Bundesregierung einen eigenständigen Kurs gegenüber der deutschen Politik: »Die Grenzen Österreichs sollen Menschen in Not weiterhin offen stehen und sie nicht in lebensbedrohliche Situationen zwingen.«
Die Initiative »GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg« beklagt, dass EU, USA, UNO, die »westliche Wertegemeinschaft« und auch Österreichs Regierung es zulassen, dass schon bisher Zehntausende Menschen auf der Flucht vor Krieg und Zerstörung elend umgekommen sind, Opfer skrupelloser Schlepper wurden, im Meer ertranken oder in Autos erstickten. Die Gewerkschafter stellen fest: »Die USA, die EU, die ›westliche Wertegemeinschaft‹, führen seit Jahren Krieg in Afghanistan, in Irak, in Libyen, in Syrien, finanzieren diese und verdienen daran, fördern und provozieren damit die jetzigen und künftigen Flüchtlingsströme.
So wurden aus – in ihrer Sprachregelung – drei oder vier Diktatoren, Hunderte Diktatoren (War Lords) gemacht, hinter denen die verschiedenen Großmächte und (Rüstungs-)Konzerne mit ihren Helfershelfern in den ›verbündeten Ländern‹ als Finanziers des Todes stehen. USA und Saudi-Arabien z.B. finanzieren und fördern nachweislich die IS, die sie gleichzeitig vorgeben zu bekämpfen. Die USA, die allen voran mit der EU im Schlepptau die Kriege im Nahen Osten verursachten und anführen, fordern heuchlerisch die EU auf, das ›Flüchtlingschaos‹ zu beenden, weil sonst auch Gefahr für Europa selbst bestehe.
Die Kriege die dort im Namen von ›Demokratie und Menschenrechten‹ im Interesse von Konzernprofiten, im Kampf um Macht und Einflusszonen geführt werden, verursachen die Flüchtlingsströme, denen wiederum mit militärischen Mitteln begegnet werden soll. Ein profitabler Teufelskreis, der wieder nur den Nutznießern von Krieg und Geschäft dient – keineswegs den Menschen dort und auch nicht den Menschen hier.«
Die Initiative weist auch darauf hin, dass die UNO die Lebensmittelrationen für die Menschen in den Flüchtlingslagern in den Nachbarländern Syriens gekürzt habe und so weitere Menschen zur Flucht zwinge. »Allein der Aufbau des Zaunes in Ungarn kostet soviel wie die Versorgung der Flüchtlinge in jordanischen Lagern bis Jahresende«, kritisieren die Gewerkschafter. Und weiter: »Mit dem von den Kriegstreibern verursachten Flüchtlingselend und Flüchtlingsströmen wird auf höchster internationaler Ebene bis herab nach Österreich miese Politik mit Menschenhatz im Interesse der Konzern- und Machteliten gemacht – nicht nur gegen die Flüchtlinge selbst, sondern auch letztlich gegen die arbeitenden Menschen überhaupt – auch hierzulande. Die Österreicher sollen gegen Ausländer, Christen gegen Muslime usw., also die Menschen gegeneinander aufgebracht, entsolidarisiert und die Mitmenschen zum Feind erklärt werden. Damit soll verhindert werden, dass sich der Blick auf die wirklichen Verursacher richtet – die Profitmacher, die auch Krieg und Zerstörung für ihr Geschäft brauchen. Da sind nicht nur die ›kleinen Verbrecher‹ wie die Fahrer von Schlepperautos und Schlepperboten gemeint, sondern die geschäftsmäßigen Verbrecher, die Schlepperbosse dahinter und vor allem die Wirtschafts- und Politeliten in Nadelstreif im Hintergrund in den Konzernetagen, im Pentagon, im NATO- oder EU-Brüssel-Hauptquartier.
Das ist eine menschenverachtende, rechte Politik der Regierungen und dient direkt einer noch offeneren rechten Politik wie der FPÖ, die die Oberen schützt und die Unteren belastet. Jetzt, so heißt es, sind die Ausländer Schuld, dass es uns schlechter geht, Wohnungen teuer, Arbeitsplätze zu anständigen Bedingungen Mangelware sind (…) Um von der sich weiter verschlechternden sozialen Lage der Menschen, verursacht durch die nimmersatte Profitwirtschaft, um den Unmut und die Wut von den Profiteuren in Wirtschaft, Militär und Politik abzulenken, machen Rechte im Dienste der Wirtschaft ›andersartige‹ Mitmenschen zu Feinden. Doch wenn sich die Menschen gegenseitig die Schädel einschlagen, reiben sich die Oberen die Hände und machen ihre schmutzigen Geschäfte mit noch mehr täglicher Arbeitsausbeutung, Krieg, Zerstörung und Flüchtlingschaos weiter.«
Ähnlich argumentiert Moe Karner, Vorsitzender der Partei der Arbeit Wien: »Egal, wo man hinblickt erkennt man jedenfalls eines: die österreichische und europäische Flüchtlingspolitik ist katastrophal gescheitert! Daran sind aber weder die Flüchtlinge, ihre HelferInnen, die Medien oder die schöne Landschaft schuld, auf die so manch Hiergeborene/r so stolz ist. Die Schuld ist dort zu suchen, wo Profite über Menschenleben gestellt werden. Dort, wo eine kapitalistische Gesellschaftsform imperialistische Kriege für Rohstoffe und Ressourcen führt um uns dann mit millionenschweren Werbekampagnen jene Scheiße verkaufen zu können, die uns von den eigentlichen Problemen ablenken soll.
Während Sozialleistungen gestrichen werden, um 20 Milliarden für eine Bank zahlen zu können, TTIP durch die Hintertür verabschiedet wird und die Familie Piech ihr Vermögen durch die Arbeitskraft anderer alleine im letzten Jahr um 20 Milliarden erhöht hat, suchen PolitikerInnen aller Couleur die Schuld der Fluchtursachen bei ›Schlepperbanden‹, Wirtschaftsflüchtlingen oder dem IS. Dass letzterer wiederum von ›unseren‹ Verbündeten in u.a. Saudi Arabien finanziert wird, ist ebenso egal – die haben immerhin Öl –, wie der Umstand, dass die einzigen KämpferInnen gegen den IS von ›unserem‹ anderen Bündnispartner Erdogan beschossen werden. Anstatt jene Frauen und Männer zu unterstützen, die gegen die Barbarei des Islamischen Staats vorgehen, werden kurdische Organisationen weiterhin auf Geheiß des AKP-Führers auf Terrorlisten gesetzt und deren Mitglieder in Europa zahlreich verhaftet.
Bereits 2009 war ich mit einem Kumpel in Westafrika unterwegs, u.a. in Nigeria, wo zu diesem Zeitpunkt die Boko Haram erste Anschläge im Norden verursachte und Ausgangssperren den Tag bestimmten. Wir durften Menschen kennenlernen die gerade auf der Flucht nach Europa waren und sie einige Etappen begleiten. So haben wir erfahren, dass ganze Dörfer zusammenlegen, um die benötigten mehrere tausend Euro zusammenzubekommen, die eine lebensgefährliche Überfahrt übers Mittelmeer und anschließender Grenzübergänge kostet. Jedem war bewusst, dass er sein Leben aufs Spiel setzt – ob er bleibt oder flieht. In beiden Fällen ist mit dem Tod zu rechnen. Die Hoffnung, ein neues Leben in Frieden aufbauen zu können war allerdings stärker als die Gewissheit sterben zu können. Einer sagte zu uns: ›Egal wie hoch eure Mauern sein werden – es ist eure Politik, die uns zwingen wird, sie niederzureißen‹.«
Der Vorsitzende der KPÖ Steiermark, Franz Stephan Parteder, räumt ein: »Die KPÖ hat in dieser Situation keine Patentlösung anzubieten. Eine grundlegende Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse auf unserem Planeten ist nicht in Sicht. Dabei wird die Alternative Sozialismus oder Barbarei immer deutlicher sichtbar. Unsere Aufgabe ist einfach, aber sehr schwer durchzusetzen: Wir müssen in jeder Person, egal, wo sie herkommt, den Menschen sehen und ihre Anliegen ernst nehmen. Das gilt für Arbeitslose und Wohnungssuchende in Österreich, das gilt für die Leute, die sich jetzt auf den Weg nach Norden gemacht haben. Es sind Menschen, keine Feinde. Das, was unsere Lebensgrundlagen wirklich bedroht, ist in den Vorstandsetagen der Großkonzerne und in den abgeschotteten Villensiedlungen der Milliardäre zu finden. Darüber wird in den Medien aber ganz selten berichtet.«
Quellen: KPÖ, KPÖ Steiermark, KPÖ Graz, Partei der Arbeit / RedGlobe